Tante Lisbeth (German Edition)
obgleich er ihr schon für zehntausend Francs Geschenke gemacht hat.«
»Das wäre ein Mordsspaß, wenn ich ihm zuvorkäme!« frohlockte Crevel.
»Lieber Gott, es war doch nicht recht von mir, dir das alles zu erzählen!« stöhnte Lisbeth, als ob sie Reue über das Berichtete empfände.
»Ach was! Deine Familie soll rot werden vor Scham. Morgen lasse ich eine Summe zu fünf Prozent auf dich eintragen, so daß du sechshundert Francs Rente hast. Aber du mußt mir alles sagen: Namen und Wohnung der Dulzinea. Ich will dir gestehen: ich habe noch niemals eine anständige Frau gehabt. Es ist mein größter Ehrgeiz, eine zu besitzen. Eine Frau aus der Gesellschaft ist mir lieber als die kindische Venus. Das ist eben mein Ideal, und ich bin so toll darauf, daß zum Beispiel die Baronin von Hulot für mich niemals fünfzig Jahre alt werden wird.« Unbewußt zitierte er hiermit einen der feinsten Geister des neunzehnten Jahrhunderts. »Siehst du, liebe Lisbeth, dafür opfere ich gern hunderttausend und mehr Francs. Doch still! Meine Kinder kommen. Ich sehe, sie gehen über den Hof. Ich gebe dir mein Ehrenwort, daß niemand erfahren wird, woher ich meine Kenntnisse habe, denn ich will nicht, daß du das Vertrauen des Barons verlierst. Im Gegenteil! Er scheint diese Frau aber wirklich zu lieben!«
»Er ist in sie vernarrt, sage ich dir!« beteuerte Lisbeth. »Für die Aussteuer seiner Tochter konnte er keine vierzigtausend Francs auftreiben; für die neue Liebschaft waren sie da!«
»Wird er wiedergeliebt?«
»So ein alter Mann!«
»Bin ich ein Esel!« brummte Crevel. »Der Heloise habe ich doch auch ihren Maler gestattet, genau wie Heinrich der Vierte seiner Gabriele den Bellegarde. Das Alter, das Alter ... Guten Tag, Cölestine, guten Tag, mein Herzchen! Wo ist dein Junge? Ach, da ist er ja! Donnerwetter, er wird mir jeden Tag ähnlicher. Guten Tag, Freund Hulot, wie geht es? Wir werden demnächst in der Familie wieder einmal Hochzeit feiern?«
Das junge Ehepaar deutete verstohlen auf Tante Lisbeth hin, und Cölestine gab ihrem Vater dreist die Antwort:
»Daß ich nicht wüßte!«
Crevel machte eine pfiffige Miene, die seine Indiskretion wieder rückgängig machen sollte.
»Ich meinte Hortense. Aber natürlich, das ist ja noch lange nicht soweit. Ich war eben bei Lebas. Man sprach von Fräulein Popinot und unserm jungen Regierungsrat, der demnächst Landrat irgendwo in der Provinz werden soll ... Na, essen wir!«
Um sieben Uhr fuhr Lisbeth bereits mit dem Omnibus nach Hause. Sie konnte es gar nicht erwarten, Stanislaus wiederzusehen, der sie seit drei Wochen an der Nase herumgeführt hatte. Sie brachte ihm einen Korb Früchte mit, den Crevel, dessen Zärtlichkeit gegen Lisbeth keine Grenzen kannte, eigenhändig zurechtgemacht hatte. Sie flog die Treppe zur Mansarde hinauf, so daß ihr der Atem ausging. Den Künstler fand sie damit beschäftigt, das Ornament eines Kästchens zu vollenden, das er Hortense überreichen wollte. Der Rand wurde von einem Hortensienkranz gebildet, auf dem Amoretten spielten. Um das Material – Malachit – zu erschwingen, hatte der arme Verliebte zwei Leuchter samt dem Vervielfältigungsrecht an einen Kunsthändler verkauft, zwei Musterstücke seiner Kunst.
»Seit ein paar Tagen bist du ja recht fleißig, mein Lieber?« bemerkte Lisbeth, indem sie ihm den Schweiß von der Stirn wischte und ihn küßte. »In der Sommerglut dünkt mich das gar nicht dienlich. Glaube mir, deine Gesundheit leidet darunter. Sieh, hier sind Pfirsiche und Pflaumen von Crevel! Schinde dich nicht so! Ich habe zweitausend Francs geborgt. Wenn es sein muß, zahlen wir sie zurück vom Erlös deiner Uhrgruppe. Indessen habe ich so meine Gedanken über den Darleiher. Er hat mir das Schriftstück hier mitgegeben!«
Sie legte die Schuldhaftankündigung unter den Entwurf zur Marschallstatue.
»Für wen machst du das hübsche Ding da?« fragte sie, indem sie den Hortensienkranz aus rotem Wachs in die Hände nahm. Stanislaus hatte ihn weggelegt, um die Früchte zu essen.
»Für einen Juwelier!«
»Für welchen?«
»Ich weiß nicht. Stidmann hat mir den Auftrag übermittelt. Eine eilige Sache.«
»Hortensien? Hm!« meinte sie tonlos. »Für mich hast du nie das Wachs geknetet. Warum nicht? Ist es denn eine so schwierige Sache, mir ein kleines Andenken zu verfertigen? Einen Brieföffner, ein Kästchen oder so was?« Sie warf einen bösen Blick auf den Künstler, dessen Augen gerade gesenkt waren. »Und dabei
Weitere Kostenlose Bücher