Tante Lisbeth (German Edition)
Baron melancholisch.
»Ich! Na, ich denke doch!« versetzte Crevel. »Mehr als dreihunderttausend Francs habe ich für sie ausgegeben!«
»Was soll nun werden?« sagte der Baron verzweifelt.
»Wenn wir uns beizeiten verständigt hätten wie Studenten, die sich zusammen irgendein kleines Ladenmädel aushalten, dann wäre die Geschichte billiger für uns geworden.«
»Sehr richtig! Aber auch dann hätte sie uns hintergangen. Mein Lieber, was hältst du von dem Brasilianer?«
»Hm! Alter Junge, du hast recht! Man hat uns mitgespielt wie... wie Aktionären«, sagte Crevel. »Alle diese Weiber sind sozusagen Aktiengesellschaften ...«
»Hat sie dir wirklich von dem Licht im Fenster erzählt?«
»Natürlich!« Crevel nahm seine Attitüde an. »Lieber Kerl, wir sind die Dummen gewesen. Jetzt wird mir alles klar. Sie hat mir befohlen, dich hier festzuhalten. Weißt du warum? Ihr Brasilianer ist bei ihr! Valerie ist eine... Na, ich danke schön. Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben. Wenn man der die Hände zusammenbände, fände sie Mittel und Wege, einen mit den Füßen an der Nase herumzuführen. Die schamlose Person! Die Dirne!«
»Sie steht unter den Prostituierten!« sagte Hulot. »Josepha und Jenny Cadine, die hatten ein Recht, uns zu betrügen, denn die machen aus ihren Reizen ein Geschäft!«
»Aber Valerie«, fuhr Crevel fort, »die hat die Prüde, die Heilige gespielt... Ich rate dir, Hulot, kehre zu deiner Frau zurück! Mit deinen Finanzen steht es gar nicht besonders. Man munkelt bereits von gewissen Wechseln, die du einem Wucherer gegeben hast, dessen Spezialität es sonst ist, Kokotten zu bewuchern. Vauvinet heißt der Mann. Was mich betrifft: ich bin von den anständigen Frauen kuriert. Alte Kerle wie wir sollten wirklich gescheiter sein. Du hast weiße Haare und falsche Zähne. Und ich sehe wie ein Silen aus ... Ich werde Geld zu Geld türmen. Der Mammon betrügt einen nicht ...«
»Die Frauen sind unergründlich ...«, meinte Hulot.
»Unsinn!« brummte Crevel. »Wir sind alt, und der Brasilianer ist jung und ein hübscher Kerl. Das ist das ganze Geheimnis!«
»Ja, ja«, sagte Hulot, »so ist es! Wir sind alt geworden. Aber, mein lieber Freund, warum soll man deshalb darauf verzichten, zuzuschauen, wenn diese schönen Geschöpfe sich entkleiden, ihr Haar kämmen, wenn sie, durch die Finger listig nach uns blinzelnd, ihre Locken wickeln, wenn sie alle ihre Umtriebe spinnen, ihre Lügen dichten, uns weismachen, sie wären ungeliebt und unverstanden, wenn sie uns, die wir müde sind von unserem Berufe, trotz alledem aufheitern?«
»Du hast recht. Das ist der einzige Reiz des Lebens!« bestätigte Crevel. »Ja, wenn einen so ein Schelmengesicht anlacht und einem sagt: ›Schatz, du bist doch ein lieber Kerl! Und ich, ich bin wirklich nicht so wie die andern Frauen, die sich in jeden grünen Jungen vergucken, in die Laffen, die sich den Bart drehen, ewig rauchen und grob wie Stallknechte sind. Sie bilden sich auf ihre Jugend etwas ein. Sie tun so, als ob man noch froh sein müßte, wenn sie nur kommen. Guten Tag! Adieu! Weg sind sie wieder. Ich, die ich nach deiner Meinung kokett sein soll, ich ziehe einen Fünfziger all den jungen Stöpseln vor. So einer ist treu und ergeben; er weiß, daß eine Frau innere Kämpfe zu bestehen hat; er weiß sie zu schätzen. Siehst du, darum liebe ich dich, du großer Bösewicht!‹ Diese Art Geständnisse begleiten kleine Koketterien und Schmeicheleien ... und doch ist alles Lug und Trug!«
»Ach, Lüge ist oft viel schöner als Wahrheit!« meinte Hulot, indem er sich der reizenden Szenen erinnerte, wenn Valerie Crevels Manieren nachgeäfft hatte. »Und dann muß man doch auch selber Komödie spielen ...«
»Bis man sie hat, diese Lügnerinnen!« ergänzte Crevel brutal.
»Valerie ist eine Zauberin!« schwärmte Hulot. »Greise macht sie zu Jünglingen!«
»Wie ein Aal ist sie«, wandte Crevel ein, »sie gleitet einem aus den Händen. Aber ein wunderschöner Aal ... ein Wesen, weiß und süß wie Honig, drollig und voller Einfälle, ach ...«
»Enorm klug!« rühmte Hulot, der seine Frau schon wieder vergessen hatte.
Die beiden Spießgesellen gingen schlafen. Sie waren wieder die dicksten Freunde, indem sie sich wechselweise Valeries Reize ins Gedächtnis zurückriefen, den Tonfall ihrer Stimme, ihre Katzenart, ihre Gesten, ihre lustigen Einfälle, ihre dummen Streiche, die Bizarrerien ihres Herzens. Diese Künstlerin der Liebe hatte wahrhaftig wundervolle
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