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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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einen Schlüssel hatte, gar nichts, wenn sie Crevel besuchte.
    Als Crevel den Kronleuchter des Salons angezündet hatte, war der Baron angesichts des hier entfalteten koketten und erlesenen Luxus ganz starr. Der ehemalige Kaufmann hatte den alten Architekten Grindot frei walten lassen. Er hatte ein kleines Paradies im Pompadourstil geschaffen, das übrigens sechzigtausend Francs kostete.
    Der Auftraggeber hatte zu dem Künstler gesagt: »Eine Fürstin, die hier eintritt, soll überrascht sein!«
    Er wollte seine Ninon, seine Dame der Gesellschaft, seine Valerie, seine Prinzessin im schönsten Pariser Eden besitzen.
    »Es sind zwei Betten da«, sagte Crevel zu Hulot, indem er auf einen zum Bett umwandelbaren Diwan hinwies, »eins da, das andere im Schlafzimmer! Wir können also beide die Nacht hierbleiben.«
    »Die Beweise!« drängte der Baron.
    Crevel ergriff einen Leuchter, zündete ihn an und führte seinen Freund in das Schlafzimmer, wo auf einer Chaiselongue ein Hauskleid lag. Hulot erkannte es als Valerie gehörig; sie hatte es in der Rue Vanneau getragen, um Staat damit zu machen, ehe es in dieser Dependance Crevels seine Verwendung finden sollte. Dann öffnete Crevel das Geheimfach eines hübschen kleinen Schreibtisches mit eingelegter Arbeit, suchte darin, nahm einen Brief und reichte ihn dem Baron: »Da! Lies!«
    Der Staatsrat las das kleine Briefchen in Bleistiftschrift:

»Ich habe vergeblich auf Dich gewartet, alter Bummler. Weißt Du, ein Mann wie Du hat eine Frau wie mich nicht warten zu lassen! Es ist nichts zu essen da. Nicht einmal Zigaretten. Warte nur!«
     
    »Ist es ihre Handschrift?«
    »Bei Gott!« murmelte Hulot, indem er sich kraftlos niederließ. »Ich kenne alle ihre Sachen wieder. Da stehen ihre Haus- schuhe. Sage mir, seit wann ...«
    Crevel machte ein Zeichen, daß er ihn verstanden habe, und holte ein Bündel Rechnungen aus dem Schreibtisch.
    »Hier, alter Junge! Im Dezember 1838 habe ich die Einrichtung bezahlt. Acht Wochen vorher ist dieses köstliche Nestchen bezogen worden.«
    Hulot sank in sich zusammen.
    »Zum Donnerwetter! Wie hat sie das nur angefangen! Ich kenne doch ihre Zeiteinteilung Stunde auf Stunde!«
    »Der tägliche Spaziergang in den Tuilerien?«
    Crevel rieb sich vergnügt die Hände.
    »Wieso?« fragte Hulot verdutzt.
    »Deine sogenannte Geliebte spaziert nach den Tuilerien. Sie soll da von ein bis vier Uhr lustwandeln. Scheibenschießen! In der Zeit war sie meistens hier!«
    Hulot, der an nichts mehr zweifeln konnte, verharrte in düsterem Schweigen. Katastrophen machen kluge und starke Menschen immer zu Philosophen. Der Baron aber war, moralisch betrachtet, wie einer, der nachts in einem Walde nach dem Wege sucht.
    Seine trübsinnige Schweigsamkeit, die Veränderung, die auf seinem eingefallenen Gesicht vor sich ging, alles das beunruhigte Crevel. Den Tod seines Genossen wollte er nicht.
    »Wie gesagt, alter Junge«, begann er von neuem, »wir sind quitt! Pfeifen wir auf die Frauen! Oder bringst du das nicht fertig?«
    Als ob Hulot mit sich selber spräche, murmelte er:
    »Von zehn Frauen sind immer sieben verdorben! Warum wohl?«
    Er war fassungslos, um die Lösung dieses Problems zu finden.
    »Du brauchst gar nicht zu jammern, lieber Kollege«, tröstete Crevel. »Du hast ja zu Hause die schönste Frau. Und tugendhaft ist sie auch.«
    »Ich verdiene mein Schicksal«, klagte Hulot. »Ich habe meine Frau nicht schätzen wollen, habe sie leiden lassen. Sie ist ein himmlisches Geschöpf! Arme Adeline, du bist gerächt! Sie leidet, einsam, stumm, verehrungswürdig. Sie verdient, von mir geliebt zu werden. Ich sollte... Noch ist sie begehrenswert, schön und ewig jung. Und keine ist gemeiner, schamloser und lasterhafter als diese Valerie!«
    »Eine Drohne«, ergänzte Crevel, »eine Intrigantin, die öffentlich ausgepeitscht werden sollte! Eine aus dem achtzehnten Jahrhundert. Eine Pompadour! Eine Dubarry! Der Teufel soll mich holen!«
    Hulot hörte nicht auf Crevel.
    »Was muß man tun, um Liebe zu finden?« philosophierte er.
    »Dummheit ist es für unsereinen, Liebe zu erwarten, Verehrter!« antwortete ihm Crevel. »Wir werden höchstens geduldet. Die Marneffe ist noch hundertmal gerissener als Josepha ...«
    »Und habgieriger! Sie hat mich hundertzweiundneunzigtausend Francs gekostet...«
    »Und wieviel Centimes?« fragte Crevel mit der Frechheit des Geldmenschen. Er fand die Summe gering.
    »Man sieht so recht, daß du überhaupt nicht lieben kannst«, meinte der

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