Tante Lisbeth (German Edition)
...«
»Ewig dieser Schacher! Ein Spießbürger lernt niemals schenken! Du willst wohl mit deinen Renteneintragungen gewissermaßen Liebesetappen einrichten? Du Krämerseele! Du Pomadenhändler! Du etikettierst alles. Hektor hat mir erzählt, der Herzog von Hérouville habe seiner Josepha dreißigtausend Francs Rentenverschreibung in einer Bonbonniere gebracht. Ich bin zehnmal mehr wert als Josepha... Ach ja, die Liebe!«
Sie stellte sich vor den Spiegel und ordnete sich das Haar. »Heinrich liebt mich. Er würde dich auf meinen leisesten Wink hin aufspießen wie einen Laubfrosch. Hulot liebt mich. Er läßt seine Frau verhungern... Gehen Sie, seien Sie ein braver Familienvater, Verehrtester! Sie besitzen neben Ihrem eigentlichen Vermögen dreihunderttausend Francs, um dumme Streiche zu machen, eine Art vergrabenen Schatz, und haben nichts im Kopfe, als ihn zu vermehren.«
»Für dich, Valerie! Ich biete dir die Hälfte davon an.«
Er sank vor ihr nieder. In dem Augenblick erschien Marneffe im Schlafanzug.
»Was, Sie sind immer noch da? Was machen Sie denn?«
»Er bittet mich um Verzeihung, Schatz, weil er mir soeben einen schmutzigen Antrag gemacht hat. Da er so nichts bei mir erreicht, versucht der Herr mich zu erschachern!«
Crevel wäre am liebsten durch eine Versenkung in den tiefsten Keller hinabgesunken.
»Erheben Sie sich, mein lieber Crevel!« meinte Marneffe belustigt. »Das ist ja lächerlich. Ich sehe es Valerie an der Nasenspitze an, daß mir hier keine Gefahr droht!«
»Geh in dein Bett und schlaf friedlich!« sagte Valerie.
Sie ist schlau! dachte Crevel bei sich. Sie hat mich aus der Klemme gezogen!
Als Marneffe wieder verschwunden war, ergriff Crevel Valeries Hände und küßte sie unter Tränen.
»Alles für dich!« sagte er.
»Das ist Liebe!« flüsterte sie ihm zu. »Also Liebe um Liebe! Hulot lauert unten auf der Straße. Der alte Esel wartet darauf, wieder heraufkommen zu dürfen, sobald ich eine brennende Kerze in eins meiner Schlafstubenfenster stelle. Ich erlaube dir, ihm mitzuteilen, daß du mein einziger Geliebter seist. Er wird dir natürlich nicht glauben. Führe ihn nach der Rue du Dauphin! Zeige ihm Beweise! Drücke ihn nieder! Ich erlaube dir's! Ich befehle dir's! Diese Seerobbe langweilt mich, bringt mich zur Verzweiflung. Halte deinen Kumpan die ganze Nacht in der Rue du Dauphin auf! Morde ihn stückweise! Räche dich für den Raub der Josepha! Vielleicht stirbt er daran. Dann retten wir seine Frau und seine Kinder vor einem gräßlichen Untergang. Frau von Hulot fristet ihr Leben bereits durch Handarbeiten ...«
»Was! Die arme Frau! Beim Teufel, das ist hart!« rief Crevel, dessen angeborene Gutmütigkeit wieder Raum gewann.
»Wenn du mich liebst, Cölestin«, flüsterte sie ihm ins Ohr, so daß er ihre warmen Lippen spürte, »dann halte den Baron zurück! Sonst bin ich verloren. Marneffe hat Verdächt geschöpft. Hektor hat den Hausschlüssel und rechnet darauf, zurückzukommen.«
Crevel drückte Valerie an sich. Glückberauscht ging er. Sie geleitete ihn zärtlich an die Treppe. Wie hypnotisiert stieg sie die Treppe zum ersten Stock mit hinunter und wollte noch weitergehen.
»Valerie! Geh zurück! Kompromittiere dich nicht vor den Portiersleuten!« warnte Crevel besorgt. »Geh, du mein Alles, mein Glück! Was mein ist, soll dein sein! Geh, meine Prinzessin!«
»Frau Olivier!« rief Valerie leise, als die Haustür wieder geschlossen war.
»Ach, die gnädige Frau ist's?« fragte Frau Olivier überrascht.
»Schieben Sie den Riegel oben und unten vor! Machen Sie nicht wieder auf!«
»Gewiß, gnädige Frau!«
Nachdem sie alles fest verschlossen hatte, berichtete Frau Olivier den gegen Valerie gerichteten Bestechungsversuch des Barons.
»Sie haben sich musterhaft benommen, liebe Frau Olivier. Morgen werden wir weiter darüber sprechen.«
Wie im Fluge erreichte Valerie den dritten Stock, klopfte dreimal an Lisbeths Tür und huschte dann zurück in ihre Wohnung, wo sie ihrer Jungfer Befehle gab. Einen Montes, der aus Brasilien kommt, läßt keine Frau sitzen!
Sapperlot, sagte sich Crevel, nur eine Dame der Gesellschaft kann so lieben! Als sie mich die Treppe hinuntergeleitete, da haben ihre Augen richtig geleuchtet. Ich habe sie entflammt. Josepha ist gar nichts dagegen, Ausschuß! Der ehemalige Kommis begann laut zu sprechen. »Was habe ich gesagt? Ausschuß! Das Wort ist nicht gerade salonfähig. Na ja. Valerie muß mich ein bißchen erziehen, sonst entgleise
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