Tanz auf dem Regenbogen
Nachrichtendienstes gesehen und mir vorgelesen, woraufhin die Man-In-Trouble Hotline ins Leben gerufen wurde, mit der wir in Verbindung blieben und uns gegenseitig mit der Begrüßung »MIT!-MIT!-MIT!« anriefen. Immer wenn einer von uns gelangweilt, depressiv oder in drohender Gefahr war, sich mit den Absätzen an der Espressomaschine aufzuhängen, konnte diese Nachricht einfach auf dem Anrufbeantworter des anderen hinterlassen werden und kurze Zeit später fand etwas statt, das menschlichem Kontakt sehr ähnelte.
Die Man-In-Trouble-Hotline hätte wahrscheinlich eine Menge Leute retten können, überlegte ich. Oscar Wilde hätte Emily Dickinson im Regen von einer Telefonzelle aus anrufen können. Gauguin hätte seine Ruhelosigkeit auf Tahiti mit Robert Louis Stevensons Einsamkeit auf Samoa teilen können. Davy Crockett im Alamo hätte Phil Hartman eine Nachricht hinterlassen können. Sylvia Plath hätte ihren Kopf nicht in den Ofen stecken, Ernest Hemingway sein Hirn nicht wie Orangensaft verspritzen müssen. Richard Corey hätte eines Nachts nicht nach Hause gehen und sich eine Kugel in den Kopf ballern müssen. Sonny Liston hätte John Henry oder Julia oder Jesus anrufen können, so daß die Bullen nicht die Zeitungen von dreizehn Tagen auf seiner vorderen Veranda in Las Vegas gefunden hätten.
Aber die Man-In-Trouble Hotline kann nicht jeden retten. Zwischen einer Windmühle und der Welt gibt es nicht den richtigen Zeitpunkt, um einen Van Gogh zu kaufen, Mozart aus der Gosse, Sharansky aus dem Gulag und Rosa aus dem Bus zu helfen, oder Anne Frank aus der Dachkammer. Schon komisch, über was man in einem Flugzeug so nachdenkt.
»Als du mir vor zwei Nächten zum ersten Mal vom Verschwinden des großen Mannes erzählt hast«, sagte McCall gerade, »habe ich Russell Walker auf den Fall angesetzt. Er hat Kontakte zum FBI, zur DEA, sogar zum CIA. Die ganzen Großbuchstaben. Sie suchen alle auf Hawaii nach McGovern. Wenn die ihn nicht finden können, wer dann.«
»Ich hoffe, sie finden ihn, aber ich bezweifle es.«
»Wen sollten wir deiner Meinung nach denn anheuern? Die berittene kanadische Polizei?«
»Wenn du Großbuchstaben magst, wie wär’s mit MM?«
»Was ist MM?«
»Nicht was. Wer.«
»Okay, wer ist MM?« sagte McCall mit den ersten Anzeichen von Irritation.
»Miss Marple«, sagte ich.
McCall sah mich an, als ob ich aus einer Tagesklinik käme und wendete eine Seite in einem seiner beiden Bücher. Ich drehte und wendete mental den letzten Anruf, den ich erhalten hatte, bevor ich New York verließ. »Bleib locker. Lono ist zu Hause.« Und dann natürlich den erstickt klingenden, besorgt klingenden, verzweifelt klingenden McGovern, der murmelte »MIT!-MIT!-MIT!!!«
»Alles was wir wissen«, sagte ich zu McCall, »ist die Information aus dem Anruf, den ich bekommen habe. Wir wissen, daß McGovern vor achtundvierzig Stunden noch am Leben war. Wir wissen, daß er in Schwierigkeiten steckt, möglicherweise von einer unbekannten Person gefangen gehalten wird. Es würde uns weiterbringen, wenn wir wüßten, wer Lono ist.«
»Warum fragst du nicht Miss Marple?«
Ich brütete über Johns Frage als mir ein kleiner weißer Flauschball plötzlich am Bein hochsprang, sich von meinem Skrotum auf meine Schulter hochkatapultierte und dann auf meinen Kopf hopste.
»Baby Savannah!« rief eine strenge, scharfe Stimme irgendwo hinter mir.
Baby und ich drehten unsere Köpfe instinktiv, vorsichtig und gleichzeitig nach hinten und sahen eine traumhafte, lässige Gestalt, die sich bequem in ihren Sitz zurücklehnte, Thisbe und ihre Bibel, die aktuelle Ausgabe von People, auf dem Schoß.
»Geh von Onkel Kinkys Kopf runter, Liebling«, sagte Stephanie. »Du weißt nicht, wo dieser Kopf schon gewesen ist.«
11
Stephanie zu überreden, mich auf den Trip zu begleiten, war kein leichtes Unterfangen gewesen. Meiner Meinung nach gab es drei triftige Gründe, warum sie mitgekommen war. Erstens mochte sie McGovern wirklich sehr und fand ihn »süß«, während sie Ratso abgeneigt und Rambam mißtrauisch gegenüberstand. Wäre McGovern nicht vermißt und möglicherweise in großer Gefahr gewesen, hätte ich eifersüchtig werden können. Der zweite Grund, warum Stephanie gekommen war, ich meine jetzt nicht sexuell, war der Tod der kleinen Pyramus, der für sie eine trostlose, melancholische Atmosphäre in New York hinterlassen hatte, und ein Ortswechsel schien angesichts der traurigen Umstände der richtige
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