Tanz auf dem Regenbogen
sein, um jemanden so nah an einer Polizeiwache zu kidnappen.«
»Es eröffnet uns eine neue Sichtweise auf die Angelegenheit«, sagte ich. »Hoover, jetzt mußt du deinen Geist in jene verhängnisvolle Nacht zurückversetzen. Erstens, hast du wirklich gesehen, daß McGovern zum Strand ging? Und zweitens, kannst du uns zu der Stelle führen, wo du die Notizen für sein Kochbuch gefunden hast?«
»Ein Nein auf die erste Frage«, sagte Hoover, »ein Ja auf die zweite.«
»Auf was warten wir dann noch?« sagte ich, während ich mir im Schutz des riesigen Surfboard des Dukes eine Zigarre anzündete. »Frisch ans Werk, Watson.«
19
Es war nicht Bali Hai. Es war nicht Iwo Jima. Es war nicht die Normandie. Es war lediglich ein öffentlicher Strand bei Nacht, der von der Öffentlichkeit verlassen worden war. Es waren die Sandkörner von Hertz Rent-a-Car. Die Sandkörner von McDonald’s. Die Sandkörner vom Sheraton, Hilton und Hyatt. Die traurigen Sandkörner der amerikanischen Einsamkeit, die dereinst Teil eines urzeitlichen Felsen und jetzt reduziert waren auf verwitterte, wandernde Fußspuren, die kein Auge je sehen und denen kein Herz je folgen würde. Es war lediglich ein verlassener Strand, gefangen in einem dunklen Stundenglas zwischen den glitzernden Lichtern der unbeteiligten Stadt und den phosphoreszierenden Spiegelungen des ewigen Ozeans.
»Irgendwie unheimlich«, sagte Hoover. »Scheint genau der richtige Ort für Menehune zu sein.«
»Wer sind die Menehune?« fragte Stephanie.
»Das sind kleine koboldartige Wesen, von denen die Hawaiianer glauben, sie kämen mitten in der Nacht hervor, um Unfrieden zu stiften.«
»Wie du und Hoover«, sagte Stephanie, während sie sich wie eine Meeresgöttin zu ihrer vollen Höhe von einem Meter zweiundachtzig aufrichtete und einen stechenden Blick auf uns herabwarf.
»Vielleicht wäre jetzt noch ein Limerick angebracht«, sagte Hoover.
»Vielleicht wäre es jetzt angebracht, deinen Arsch zu strangulieren«, sagte Stephanie.
»Wir finden sowieso nichts mehr an diesem Scheißstrand. Hier ist keine Menschenseele.«
»Das stimmt nicht ganz«, sagte Hoover und zeigte in die Dunkelheit. »Was ist mit dem Typ da?«
Wir konnten jetzt ganz klar die gebeugte Gestalt eines alten Mannes erkennen, der am Wasser entlang schlurfte und den Sand langsam mit einem Metalldetektor absuchte. Als er näher kam, sah er immer mehr wie ein Prophet aus dem Alten Testament aus, oder wie dessen moderne Version, ein Mann aus einem Obdachlosenheim. Er war ein »Poi« Mann, seine Vorfahren ein bunt gemischter Haufen, das Resultat mehrerer hundert Jahre Sonne und Sex auf den Inseln. Wenn wir nur weit genug in unsere Vergangenheit zurückblickten, würden wir vermutlich feststellen, daß wir alle – vielleicht mit Ausnahme der zarten arischen Blüte Stephanie DuPont – »Poi« Menschen sind. Das ist eines der Dinge, die Amerika groß und Hawaii magisch gemacht haben.
Bevor ich auch nur wußte, was geschah, parlierte Hoover als versierter Reporter und Interviewer auch schon mit dem alten Mann. Sie schienen Pidgin miteinander zu sprechen, ein paar Brocken Englisch, ein paar Hawaiianisch, viele Gesten mit Hand und Kopf, sogar Lippenzeichen seitens des alten Mannes, ein ziemlich ungewöhnlicher Brauch, den ich seit meinen Friedenskorpszeiten im Dschungel von Borneo nicht mehr beobachtet hatte. In Borneo wird es als unhöflich angesehen, mit der Hand zu zeigen. Die meisten Mütter haben ihren Kindern genau das beigebracht. Was der zivilisierte Westen vergißt, behält der primitive Osten bei.
»Er hat McGovern gesehen«, rief Hoover aufgeregt. »Er erkennt ihn auf dem Foto.«
Hoover faltete prompt das Vermißtenplakat zusammen und kehrte zu seiner angeregten Konversation mit dem alten Mann zurück.
»Das ist mehr, als wir erwarten konnten«, sagte ich zu Stephanie. »Die Götter der verlorenen Münzen und Menschen scheinen mit uns zu sein.«
»Mal abwarten«, sagte Stephanie skeptisch.
»Er ist da lang«, rief Hoover und zeigte auf die rosafarbenen malerischen Mauern des Royal Hawaiian Hotel, das älteste Hotel am Strand. »Er ist mit einer Wahine weggegangen!«
»Was ist eine Wahine?« fragte Stephanie.
»Eine Frau«, sagte ich.
»Eine Schönheit?«
»Sicher nicht so schön wie du.«
»Alles ist relativ«, sagte Stephanie und warf ihr langes blondes gepflegtes Haar in Richtung der lockenden See. »Das sollte nicht eitel klingen, ich hab’ mich nur gefragt, ob sie
Weitere Kostenlose Bücher