Tanz auf dem Regenbogen
offensichtlich die Vermißtenplakate gesehen, die angegebene Telefonnummer der Hotelrezeption gewählt, dann entgegen unseren Instruktionen, nicht den Anruf durchstellen lassen, sondern einfach aufgelegt und statt dessen beschlossen, uns einen Zettel mit der Lösegeldforderung zukommen zu lassen. Was das in dieser frühen Phase zu bedeuten hatte, blieb offen.
Die Lösegeldforderung lautete: »Wir haben Ihren Freund. Tun Sie, was wir Ihnen sagen und es geschieht ihm nichts. Beschaffen Sie 50.000 US Dollar in kleinen, gebrauchten Scheinen. Keine Fünfziger oder Hunderter. Warten Sie auf weitere Anweisungen. Wenn Sie die Polizei verständigen, ist Ihr Freund tot. P. S. Rufen Sie uns nicht an. Wir rufen Sie an.«
Mittlerweile waren die frühen Morgenstunden angebrochen und ich becherte Kaffee, brütete über der Lösegeldforderung und betete, Rambam würde einen meiner vier Anrufe beantworten, bevor die Kidnapper erneut Kontakt mit mir aufnahmen. Plötzlich kam Bewegung in die Sache, eine Art beginnende Hysterie, es war eine Situation, in der eine leichte Panne oder ein kleineres Versehen schreckliche Konsequenzen haben konnte.
Meine relativ begrenzten Erfahrungen als Amateurdetektiv hatten mich nie in die Verlegenheit kommen lassen, persönlich eine Lösegeldforderung zu erhalten, eine knallharte, konkrete Bedrohung für das Leben einer Person, die mir sehr nahe stand. Ich war so schlecht ausgerüstet und unsicher, wie ich das anpacken sollte, wie Lindbergh das sicherlich seinerzeit auch gewesen war. Ich beschloß für den Augenblick, die Forderungen genau zu befolgen. Ich würde einfach weiter Kaffee trinken und, obwohl jedes Hotel in Honolulu mit »Bitte nicht die Vögel füttern, Mahalo«- Schildern ausgestattet war, würde ich den Vögeln auf meinem Lanai einfach weiter lilafarbene Poi Rolls geben, die sie offensichtlich mochten. Für den Moment würde ich darauf warten, daß entweder Rambam oder die Kidnapper anriefen und ich beabsichtigte, das zu tun was die jeweilige Partei – welche auch immer das sein würde – mir vorschlug. Ich würde keinen Kontakt mit der Polizei aufnehmen.
Die Aufgabe, das Lösegeld zusammenzukriegen, hatte ich bereits an John McCall delegiert. Wenn man mit einem Multimillionär reist, kann man davon ausgehen, daß er der geeignetste Kandidat für diesen Job ist. Wenn John 50.000 Dollar locker machen mußte, war das wie wenn einer von uns einem Straßenmusiker eine Münze zuwarf. Der Lösegeldbetrag war mir überraschend niedrig vorgekommen, aber es war vermutlich keine schlechte Idee, nicht zu tief in die Gehirnwindungen eines Kidnappers blicken zu wollen. Die beste Strategie war wohl, still zu sitzen, auf den Anruf zu warten und währenddessen die Vögel zu füttern.
An den meisten Orten schlafen die Vögel nachts in ihren kleinen Nestern und träumen von Würmern, tollen Ausflügen oder tropischen Paradiesen. In Hawaii haben Vögel und auch Tauben einen wesentlich flexibleren Flugplan. Wenn es einen rund-um-die-Uhr Zimmerservice gibt, so gilt das auch für Vögel. Wenn sie ein großes Säugetier sehen, das auf seinem Lanai mit einem dunklen Zweig in der Hand unter gelegentlichem Ausstoßen kleiner Rauchwolken hin- und herwandert, denken sie, da könnte was abgehen. Zerbricht das große Säugetier dann auch noch Poi Rolls und verstreut die Krümel auf dem Boden seines Lanai, spricht sich das schnell rum. Auf Traumschwingen scharen sie sich um das große nächtliche Säugetier, ohne je etwas von dem Aufruhr seines Herzen zu erfahren.
Federn flatterten, Tauben schissen und das nächste, an das ich mich erinnere, war, daß es halbdrei morgens war und die Telefone klingelten. Ich rannte zum nächstgelegenen Hörer, der ausgerechnet in der Toilette war, und packte ihn schnell und fest, meine Hand nicht unähnlich der Klaue eines Falken, der seine Beute reißt.
»Schieß los«, sagte ich.
»O.k. laß mal die Lösegeldforderung hören«, sagte Rambam cool. Der Klang seiner Stimme beruhigte mich sofort. Wenn es jemanden gab, der mir sagen konnte, wie ich mich in dieser Situation verhalten sollte, dann Rambam.
Ich klappte den Klodeckel runter und setzte mich drauf. Dann las ich den Zettel vor. Er sagte einen Augenblick nichts und ich bekam das beunruhigende Gefühl, er könnte eingeschlafen sein. Schließlich sagte er:
»Gut, dann weißt du ja, was du zu tun hast.«
»Natürlich weiß ich nicht, was ich zu tun habe. Ich habe keine Ahnung, was ich zu tun habe. Deswegen habe ich dir
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