Tanz auf dem Regenbogen
Nähe eines kleinen Wäldchens, das von Kletterpflanzen und Mondlicht bedeckt war. Die tonale Qualität dieser Schreie lag eher tiefer, aber was Hysterie und Stärke anbelangte, waren sie denen Stephanies mindestens ebenbürtig.
Wir stellten schnell fest, daß die Quelle dieser Schreie John McCall war. Er hatte offensichtlich seine eigene große grüne Banane gepackt und war linker Hand des Ziegenpfades ins Dickicht gegangen, um zu urinieren. Während er pißte, hatte er sich, wie die überwiegende Mehrheit der Männer, nicht auf seine große grüne Banane konzentriert, sondern unruhige, gelangweilte, scheinbar beiläufige Blicke in seine nähere Umgebung geworfen. So hatte er die Leiche entdeckt.
40
Wenn es vier Heiaus, oder antike Tempel, in Waipi’o gab, die teilweise auf das Jahr 680 n. Chr. datiert wurden, dann konnte dies tatsächlich einer davon gewesen sein.
Die Grundmauern des alten Gebäudes sahen so aus, als hätten sie einen derartigen Strom der Zeit überlebt. Es freut mich übrigens, berichten zu dürfen, daß sie auch den Strom von John McCalls durchscheinendem Urin überlebt hatten. Auf einen Heiau zu pinkeln, wird auf Hawaii natürlich als beispielloser Akt der Entweihung betrachtet. Um vergleichbares, spirituell ähnlich gefühlloses Verhalten zu finden, muß man schon zu jenem schwarzen Tag in der texanischen Geschichte zurückgehen, an dem Ozzy Osborne auf das Alamo gepißt hat, was dazu führte, daß jeder texanische Mann, Transsexuelle und jede texanische Frau mit rotem Blut in den Adern tierisch angepißt war. Die Leiche lag innerhalb eines kleinen steinernen Kreises.
Das Opfer war eine junge Frau und aufgrund der zahlreichen Stichwunden auf ihrem geschundenen Körper, dem getrockneten Blut am Boden und den nicht vorhandenen Schleifspuren war klar, daß man sie an dieser Stelle erledigt hatte, möglicherweise war sie in einem heiligen Ritus zahllosen anderen Opfern gefolgt, die hier seit Anbeginn der Zeit dargebracht wurden. Ich starrte auf den Mondschein, der sich zart in ihren blicklosen Augen spiegelte und realisierte, daß dies die falsche Art war, auf der richtigen Fährte zu sein. Die Chancen, McGovern lebend zu finden waren gerade auf sechs-zu-fünf dagegen gefallen.
»Sie kann noch nicht lange tot sein«, sagte Rambam, während er ihr aufgedunsenes Gesicht studierte. »Die Wildschweine wären sonst schon da gewesen.«
Ich spürte eine traurig-süßliche Übelkeit in mir aufsteigen. Wir waren plötzlich alle sehr still geworden. Mitten in diesem Wald des Bösen, während wir schweigend an den Toren zur Hölle standen, sträubte sich in mir etwas, diesen Körper genauer zu betrachten. Wie Thisbe und Baby Savannah schien ich eine kleine Obsession für John McCalls Urin auf dem Stein zu entwickeln. Das war keine wirklich gesunde Einstellung, aber die Welt war auch kein wirklich gesunder Ort. Irgendwo in nicht allzu weiter Entfernung lauerten die dunklen Haie, die diese Vogelscheuche eines Mädchens mit Zähnen, die so weiß wie der Mond waren, zerrissen hatten. Sogar der Wasserfall schien eine Schweigeminute zu machen. Vielleicht hatte Hiilawe sich in den Schlaf geweint.
»Hoover«, sagte ich, »würdest du bitte die Leiche identifizieren?«
Hoover rezitierte keine Limericks mehr. Er war eine Studie in düsterer Introspektion, als er näher an die alten Steine herantrat. Tatsächlich schien er fast stumm zu sein. Ich dachte flüchtig daran, daß Willie Nelson mir kürzlich von einem Kahuna erzählt hatte, der den Jahrhunderte alten Apo-leo- Fluch bei einem Feind angewandt hatte. Der Fluch hatte das Opfer für immer seiner Fähigkeit zu sprechen beraubt. Ich hatte Willie gesagt, er solle aufpassen, daß der Kahuna das nicht auch mit ihm mache. Willie hatte gesagt, daß er ein sehr glückliches Apo-leo-Opfer wäre, weil ihn dann endlich alle in Ruhe ließen und er Golf spielen könne.
»Das ist sie«, sagte Hoover, »das ist Carline.«
Der Rest von uns mußte ihm glauben. Wir waren Carline nie begegnet. Alles was ich über sie wußte war, daß sie unermüdlich nach der Wahrheit, wie sie sie sah, gesucht hatte. Das war keine schlechte Aussage über jemanden, egal ob tot oder lebendig. Ich vermutete, Carline war wirklich nah dran gewesen, die ganz große Story zu kriegen. Leider ist es manchmal so, daß die Wahrheit einem die Flügel schmilzt, wenn man zu dicht an sie ranfliegt.
Wir ließen die Überreste der jungen Reporterin in den Überresten des alten
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