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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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erhalten. Wir haben dich die letzten drei Tage lang sediert, damit du beatmet werden konntest und sich dein überlasteter Körper ein wenig erholt.«
    »Was ist mit dem Baby?«
    »Wir haben das Baby die ganze Zeit lang überwacht. Deiner Tochter geht es gut. Du bist diejenige, um die ich mir große Sorgen mache.«
    Als ich in ihr Gesicht schaute, packte mich die Angst. Ich brauchte mehr Zeit. Ich drückte ihre Hand, und Charlotte wandte nicht den Blick ab. Sie sah mir ruhig, stark und offen in die Augen.
    »Charlotte«, flüsterte ich. »Was immer du tun musst, damit dieses Baby auf die Welt kommt – tu es.«
    Sie nickte. »Das mache ich.«

[home]
    26
    1 . November 2011
    L etzte Nacht habe ich geträumt, Lucy sei gestorben und niemand hätte es mir gesagt. Ich kam vom Club nach Hause und sie war einfach fort. Aus diesem Alptraum wachte ich in eiskalter Panik und mit rasendem Herzschlag auf, und ich musste mich erst daran erinnern, warum ich allein im Bett lag. Lucy war immer noch im Krankenhaus.
    Ich richtete mich auf und versuchte, mich zu beruhigen, ehe ich dort anrief, um mich nach ihr zu erkundigen. Die Nachtschwester versicherte mir, Lucy schliefe ganz ruhig, und ich dankte ihr mit zittrig ausgestoßenem Atem. Weil ich nicht wieder einschlafen konnte, ging ich hinaus in den Flur und öffnete leise die Tür zum Kinderzimmer – oder dem Raum, der eines hätte werden sollen. Ich schaltete das Licht nicht an, konnte aber im Mondschein alles genau erkennen. Die Wände nicht gestrichen, der Dielenboden noch nicht geölt, ein leerer Wandschrank, in dem keine kleinen Kleidchen hingen.
    Ich sah mir an, was hätte sein sollen: die Oase eines kleinen Mädchens, ein Zimmer voller Puppen, Bücher und kuscheliger Dinge. Ich hätte ihr ein zweistöckiges Puppenhaus gebaut, das dort in der Ecke aufgestellt worden wäre. Jedes kleine Zimmer darin hätte ich tapeziert und mit selbstgeschnitzten Möbeln eingerichtet. Ich hätte … ich hätte. Ein vertrauter Schmerz breitete sich in mir aus, und das strahlende Bild meiner Familie – von Lucy, mir und unserem kleinen Mädchen – löste sich in meinen Tränen auf. Es gehörte mir nicht. Jetzt nicht mehr.
     
    Nach zwei Tagen fühlte ich mich wieder erstaunlich gut. Und ich tat nicht nur so. Ich brauchte das nicht vorzuspielen. Auf einmal konnte ich wieder ohne Schmerzen in der Brust atmen. Ich spürte richtig, wie sich meine Lunge weitete, und das Husten war wieder nur ein lästiges Hüsteln. Als Dr. Gladstone kam, um mich vor meiner Entlassung noch einmal zu untersuchen, sprach ich ihn darauf an. Er schüttelte mit grimmiger Miene den Kopf. Peter Gladstone ist groß und imposant und trägt einen blonden Bürstenschnitt. Sein Gesicht ist von ernsten Falten geprägt, die ihn zornig aussehen lassen, auch dann, wenn er es nicht ist.
    »Leider muss ich Ihnen sagen, dass das nur vorübergehend ist, Mrs Chandler. Wir haben Ihre Lunge abgesaugt, aber bedauerlicherweise wird sich wieder Flüssigkeit ansammeln.«
    »Wie lange wird das dauern?«
    »Sie haben vielleicht ein oder zwei Wochen, oder auch nur ein paar Tage. Das ist unmöglich vorherzusagen. Es lässt sich nur feststellen, dass Ihre Krankheit fortschreitet. Ich habe einen Ultraschall gemacht, und der linke Lungenflügel sieht wesentlich schlimmer aus als der rechte. Ich weiß nicht, ob es nächstes Mal noch genügen wird, ihn nur abzusaugen.«
    Ich nickte.
    »Ich habe veranlasst, dass eine Atemtherapeutin Sie mit einem Sauerstofftank und einer Nasenkanüle ausstattet, einer sogenannten Sauerstoffbrille, die Sauerstoff in Ihre Nase leitet. Den werden Sie von jetzt an häufig brauchen.«
    »Okay«, sagte ich mit zitternder Stimme.
    »Wir bleiben in enger Verbindung, Mrs Chandler.« Dr. Gladstone sah mich streng an. »Ich will Sie übermorgen in meiner Sprechstunde sehen.«
    »Ja, natürlich.«
    Als er sich zum Gehen wandte, kam eine junge Frau in einem weißen Kittel herein, die eine grüne Gasflasche auf Rädern hinter sich herzog. Auf ihrem Namensschild stand DAPHNE , und ihr Lächeln erinnerte an Julia Roberts.
    »Hallo«, sagte sie.
    »Hallo.«
    »Die besten Ärzte sind immer so ernst«, bemerkte sie mit leisem Lachen und klemmte ein kleines Gerät an meinen Zeigefinger. Sie stellte sich als Atemtherapeutin vor und erklärte mir dann, dass sie meine Sauerstoffsättigung maß, was immer das sein mochte.
    »Als wir Sie gestern Abend von der Beatmung genommen haben, war der Wert normal. Wollen mal sehen, ob Sie ihn

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