Tanz auf Glas
uns ein eigenes Herbstfeuer aufschichte?«
»Das wäre großartig«, sagte ich und drückte ihn.
Der Abend war frisch, denn der kühle Hauch des Flusses lag in der Luft. Mickey schlang den Arm um mich, küsste mich auf die Schläfe, und ich blickte zu ihm auf. »Ich liebe dich, Michael Chandler.«
»Ich liebe dich auch, mein Schatz.«
»Und ich liebe dieses Städtchen«, sagte ich und schaute in beide Richtungen die Straße entlang, die Thomas Kinkade gemalt haben könnte. Mehr von der Welt hatte ich nie gebraucht – einen Ort, wo Kinder noch draußen spielen konnten, während sich die Mütter vor den Häusern trafen und sie im Auge behielten. Dies war solch ein Ort, an dem auf geheimnisvolle Weise der Rasen gemäht oder der Schnee vom Gehweg geschaufelt wurde, wenn man einmal krank war oder einfach nicht dazu kam. Mickey und ich hatten auch schon auf beiden Seiten dieser Gleichung gestanden.
Als wir Rons und Lilys Haus erreichten – ein Häuschen im Craftsman-Stil, um die Jahrhundertwende erbaut –, war ich ziemlich erschöpft, wollte mir aber nichts anmerken lassen. In den Fenstern leuchtete warmes, goldenes Licht. Mickey küsste mich, und statt anzuklopfen, schlang er seine starken Arme um mich. Es fühlte sich himmlisch an, hier zu stehen, in diese Liebe gehüllt, und ich wünschte, der Augenblick würde noch ein bisschen anhalten. Doch Priss hatte uns anscheinend gehört, denn sie öffnete die Tür und lachte.
»Wo ist euer Auto?«
»Gnädige Frau wollten zu Fuß gehen, und was sie will, das bekommt sie auch«, erklärte Mickey.
»Ihr seid ja verrückt! Es ist eiskalt draußen«, sagte sie und zog Mickey und mich ins Haus.
Meine Schwester sah hinreißend aus. Sie war sehr hübsch angezogen mit einer schneeweißen Hose und einem schwarzen Kaschmirpulli, der ihre Kurven betonte. Sie nahm mein Gesicht zwischen beide Hände und strich mir sanft das Haar hinter die Ohren.
»Du siehst richtig gut aus, Lu. Wie fühlst du dich?«
»Kann nicht klagen.«
»Es geht ihr prächtig«, warf Mickey ein und zwinkerte mir zu.
Priscilla legte eine Hand auf seine Schulter und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Offensichtlich kümmerst du dich sehr gut um sie, Michael.«
Mickey und ich wechselten einen verblüfften Blick und folgten meiner Schwester ins Esszimmer, wo wir die Erklärung für ihre strahlende Laune vorfanden. Der gutaussehende Nathan Nash war da und half gerade Ron, ein Feuer im offenen Kamin anzuzünden.
»Das Rätsel wäre gelöst«, raunte Mickey.
Ich zwickte ihn warnend in den Arm, und schon klopfte Ron ihm auf die Schulter, während Nathan mich herzlich umarmte.
»He, schöne Frau. Wie ich höre, ging es dir in letzter Zeit nicht gut.«
Ich winkte ab. »Das ist doch schon Tage her. Jetzt geht es mir wieder viel besser.«
»Wirklich?«, fragte er und trat zurück, um meinen Babybauch in seiner ganzen, unübersehbaren Pracht zu bewundern. »Darfst du denn schon wieder ausgehen?«
»Unbedingt. Mir geht es gut«, flunkerte ich. »Ehrlich.« Ich fand, dass Nathan ein wenig verlegen wirkte, und ich wusste nicht, ob das an mir lag oder daran, dass es schon eine gewisse Aussage war, hier mit meiner Schwester zu erscheinen. »Wie geht es den Kindern?«
»Jess macht sich große Sorgen um dich. Sie hat gehört, was vor der Schule passiert ist.«
»Tja, ich muss mal wieder für Aufruhr gesorgt haben. Das tut mir leid.« Ich fragte mich jetzt erst, wie man mich eigentlich gefunden hatte, nachdem ich ohnmächtig geworden war.
Ich spürte Rons Hand auf meiner Schulter, drehte mich um und küsste ihn auf die Wange.
»Ich hoffe, du hast Hunger. Lily hat genug Spaghetti gekocht, um die ganze Nachbarschaft zu verköstigen.«
Ich lachte und ging in die Küche, um nachzusehen, ob ich noch irgendetwas helfen konnte. Meine Schwester stand mit feuchtem Gesicht über einer dampfenden Schüssel Pasta.
»Was kann ich tun?«, fragte ich und sah mich um.
»Würdest du das Knoblauchbaguette mit rübernehmen?«, entgegnete Lily und verrenkte sich den Hals, um mich mit einem Luftkuss zu begrüßen.
Meiner Meinung nach war sie genauso overdressed wie Priscilla, in ihrem blaugrünen Pulli mit passendem Rock. »Niemand hat mir Bescheid gesagt, dass wir uns schick anziehen sollen«, beklagte ich mich.
»Offensichtlich nicht«, sagte Priscilla mit einem Blick auf mein Jeanskleid und die Stiefel. Sie schnippelte gerade Radieschen, also trat ich zu ihr an die Küchentheke und stupste sie mit der Hüfte an.
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