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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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du so mager sein?« Furchtsames Staunen lag in ihrer Stimme. Dann hörte ich sie schniefen und wusste, dass sie weinte.
    »Schrubbst du mir jetzt den Rücken oder nicht?«
    Priscilla strich mit dem Waschlappen so vorsichtig an meiner Wirbelsäule hinab, dass ich sagte: »Schrubben! Du wirst mir schon nicht weh tun.«
    »Bist du sicher?«
    »Ganz sicher.«
    Endlich rieb sie ordentlich, und es fühlte sich wunderbar an. Als sie fertig war, schöpfte sie Wasser über meinen Rücken, löste dann meine Haarklammern und ließ auch Wasser über meinen Kopf laufen. Ich hatte sie nicht darum gebeten, mir die Haare zu waschen, aber ich sträubte mich nicht. Im Gegenteil, als sie mit ihren langen Fingern sanft meine Kopfhaut massierte, schmolz ich beinahe dahin. So liebevoll von meiner großen Schwester verwöhnt zu werden, brachte mich zum Weinen, und ich ließ den Tränen freien Lauf, ohne mich zu entschuldigen.
    Nachdem sie mir ein Handtuch um den Kopf gewickelt hatte, nahm ich ihre Hand und küsste sie. Priss weinte ebenfalls.
    Ich lehnte mich wieder zurück und schob den Schaum über mir zusammen. Mein Bauch ragte wie eine glitschige Insel daraus hervor. Priss lächelte traurig. Sie trug kein Make-up, und ihr Haar war mit einer einfachen Klammer zurückgebunden.
    »Es ist nicht so schlimm, Priscilla«, sagte ich leise.
    Wieder traten ihr Tränen in die Augen, doch sie wandte den Kopf nicht ab. »
Ich
sollte das zu
dir
sagen. Hast du es denn nicht satt, dich ständig um uns alle zu kümmern, Lucy? Wirst du nie wütend?«
    »In letzter Zeit ständig. Vor allem bin ich wütend über das Timing dieses kleinen Dilemmas.«
    »Nur du würdest
das
hier
als kleines Dilemma bezeichnen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin noch nicht bereit, Priss.«
    »Wir auch alle nicht, Herzchen.«
    Nach einem kurzen, gewichtigen Schweigen sagte ich: »Mom war auch noch nicht bereit, und ich glaube, ich weiß jetzt, wie es ihr ging. Sie war noch nicht
fertig.
Sie wollte ein paar wichtige Dinge zu Ende bringen.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Sie wollte mich weiter großziehen. Lily und Ron verheiraten. Und sie wollte sich unbedingt mit dir versöhnen.«
    »Was?«
    »Dachtest du etwa, das wäre ihr gleichgültig?«, fragte ich. »Wie ihr zueinander standet? Du weißt doch, dass sie dich geliebt hat, Priscilla.«
    »Ich verstehe nicht, warum. Ich war so unglaublich abscheulich zu ihr.«
    »Tja, das stimmt«, entgegnete ich boshaft. »Aber trotzdem.«
    Priss zuckte mit den Schultern. »Ich habe etwas Schreckliches getan, und Mom hat mir das nie verziehen.«
    »Ich bin sicher, da irrst du dich.«
    »Ich bin schwanger geworden.« Ihre Worte hingen ein paar Sekunden lang in der Luft.
    »Ich weiß.«
    »Woher? Hat sie es dir erzählt?«
    »Nein. Das habe ich mir selbst zusammengereimt, als ich alt genug war. Hast du das Baby abtreiben lassen? Glaubst du, das hätte Mom dir nie verziehen?«
    »Nein. Ich wollte das Baby bekommen. Trent und ich – es war von Trent – wollten heiraten. Wir waren siebzehn und hielten uns für allwissend. Aber ich hatte eine Fehlgeburt. Danach ging alles schief. Ich war so wütend! Auf alles und jeden. Ich weiß, dass Mom mich bis zu ihrem Tod gehasst hat.«
    »Wie kannst du so klug und gleichzeitig so dumm sein?«
    Priss schüttelte den Kopf. »Ich war richtig verkorkst, Lucy. Aber mir ist bewusst, dass ich mich deshalb nie getraut habe, an irgendetwas festzuhalten. Es hatte keinen Zweck. Ich würde es ja doch nur verlieren.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Als ich noch klein war, war mir völlig unbegreiflich, wie Gott mir – uns – unsere Großmutter nehmen konnte. Dann Dad. Dann mein Baby. Als Mom krank wurde, war mir die bloße Vorstellung eines Gottes schon verhasst.« Priscilla schlug die Hände vors Gesicht und schwieg einen Moment lang. »Als ich damals den Knoten ertastete, zur selben Zeit, als Kenny Boatwright zu seiner Frau zurückgekehrt ist, da habe ich einfach aufgegeben.«
    »Ach, Süße.«
    Eine einzelne Träne lief ihr über die Wange. »Ich habe so sehr darauf geachtet, nichts zu verlieren, dass ich gar nicht erst etwas hatte.« Sie seufzte. »Und jetzt stehe ich vor einem weiteren Verlust und habe absolut keine Kontrolle darüber.«
    »Die hatten wir nie, Priss. Und Mom auch nicht.«
    Meine Schwester schaute durch mich hindurch ins Leere. »Du glaubst das jetzt vielleicht nicht, und normalerweise würde ich es wohl nie zugeben, aber ich habe mich immer mies dabei gefühlt, so eine Nervensäge zu

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