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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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und ich war so trübe wie der Tag. Erstens wurde mir einfach nicht mehr warm. Obwohl mir die heiße Luft aus der voll aufgedrehten Heizung ins Gesicht blies, war mir eiskalt. Und ich fühlte mich heute Morgen gar nicht gut. Das Atmen fiel mir schwer, und mein ganzer Körper schmerzte. Mickey zupfte leicht an meiner Hand und weckte mich aus meinem Dämmerzustand.
    »He. Alles in Ordnung?«
    Ich nickte meine Lüge mit geschlossenen Augen. Ich war ganz darauf konzentriert, die nassen, schmatzenden Geräusche zu dämpfen, die bei jedem Atemzug aus meiner Brust drangen. Mickey drückte meine Finger, und ich bemühte mich, die Geste zu erwidern, brachte aber nicht die Kraft dazu auf. Meine Lunge hatte sich wieder mit Flüssigkeit gefüllt, und heute fühlte es sich an, als versuchte ich, durch ein klatschnasses Handtuch zu atmen. Ich glaubte sogar ein Schwappen in meinem Inneren zu hören, aber das war vielleicht nur Einbildung.
    Ich war so müde. Für mich gab es so etwas wie Ausruhen nicht mehr – nicht, wenn ich jeden einzelnen Atemzug achtsam berechnen und mir verdienen musste. Und ich hatte Schmerzen. Es tat einfach überall weh. Ich konnte nicht sagen, von wo der Schmerz ausging und wo er aufhörte, nur, dass er in meinem ganzen Körper pulsierte, bis in die Beine. Und vor allem schien jeder Muskel, den ich zum Atmen brauchte, dagegen zu rebellieren.
    »Dr. Gladstone wird sicher etwas tun können, damit du dich besser fühlst, Schatz«, sagte Mickey ohne viel Überzeugung.
    Ich nickte höflich und liebte ihn für die gute Absicht. Aber die Wahrheit war, dass ich allmählich den Halt verlor. Nein, das stimmte auch nicht ganz. Wenn ich absolut ehrlich war, verlor ich den Willen, mich ans Leben zu klammern. Nachdem Harry bei uns gewesen war und ich die Papiere unterschrieben hatte, kam es mir so vor, als habe ich eine Art Frist erfüllt und könne mich entspannen. Es war wirklich seltsam. Als an jenem Abend alle mein Schlafzimmer verlassen hatten, hatte ich das Gefühl, dass der letzte Punkt auf meiner Liste, abgesehen von der Niederkunft, jetzt abgehakt war. Alles andere, die dringenden Dinge, die ich einmal unbedingt hatte erledigen wollen, waren entweder von jemand anderem übernommen worden oder zur Bedeutungslosigkeit verblasst. Es war mir einfach nicht mehr wichtig, weil ich wusste, dass alles Wichtige sicher in den wartenden Händen von anderen landen würde.
    Ich begann zu husten, als wir auf den Parkplatz des Krankenhauses einbogen, und zwar so heftig, dass sich meine Blase entleerte. Ich weinte, während sich die nasse Wärme unter mir ausbreitete. Was war ich für ein Wrack! Als Mickey mir aus dem Auto helfen wollte, überlegte er es sich offenbar schnell anders, denn er eilte nach drinnen, um einen Rollstuhl zu holen. Es schien ewig zu dauern, bis er damit zurückkam und wir es hinauf zu Dr. Gladstones Abteilung schafften.
    Am Empfang fragte ich die Schwester, ob sie etwas zum Anziehen für mich hätte, weil mir ein Missgeschick passiert sei. Ihr gütiges Lächeln drang mir bis ins Innerste und streichelte beruhigend eine Stelle in mir, die zu gequält war, um sich zu schämen. Sie bat Mickey, Platz zu nehmen, und sagte dann zu mir: »Kommen Sie mit, meine Liebe, das haben wir gleich.« Ihr Name war Sadie, und in diesem Moment war sie für mich das liebste Wesen auf Erden. Sie half mir zu einem winzigen Bad, in dem ich mich an die Wand lehnte, während sie in einem Schrank kramte. »Hier, bitte sehr. Schlüpfen Sie einfach in diese OP -Kleidung. Die Sachen sind so bequem, dass ich manchmal ein paar mitgehen lasse«, sagte sie verschwörerisch. Sie half mir, meinen Mantel auszuziehen. »Kommen Sie hier drin allein zurecht?«
    Ich nickte und hoffte, dass diese Antwort der Wahrheit entsprach. Sie ließ mich allein. Ich setzte mich auf die Toilette und mühte mich damit ab, meine Schuhe abzustreifen, ohne mich vorzubeugen. Als ich es geschafft hatte, stand ich auf, schälte mich aus meiner Umstandshose und schob sie mit dem Fuß beiseite. Von der Anstrengung geriet ich ins Schwitzen. Ich bekam keine Luft mehr, und alles um mich herum schrumpfte und verblasste. »Bitte … bitte«, flehte ich die Luft an. Ich setzte mich wieder, befahl mir, bei Bewusstsein zu bleiben, und drehte mein Sauerstoffgerät voll auf. Ein kräftigerer Luftstrom drang in meine Nasenlöcher, und ich atmete so tief, wie ich es wagte. Ich nahm all meine Kraft zusammen, zwang mich zur Konzentration, schloss die Augen und atmete. Langsam

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