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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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wahr: Es war so hell, dass ich das grelle Licht sogar durch die geschlossenen Lider sah, die sich trotz aller Mühe nicht öffnen wollten. Ich hörte eine Menge Leute, die sich alarmierende Dinge zuriefen wie: »Spätdezeleration.«
    »Metabolische Krise.«
    »Disseminierte intravasale Gerinnung.«
    Doch das Schlimmste war: »Wir müssen das Baby holen! Sofort!«
    Jemand fragte, wo zum Teufel der Anästhesiepfleger bleibe, und eine andere Stimme brüllte: »Wir verlieren sie, Blutdruck sechsundsechzig zu vierzig!«
    »Rollt sie auf die Seite!«, rief eine Männerstimme, und gleich darauf spürte ich, wie etwas Kaltes in meinen Rücken rann. Aber es tat nicht weh. Seltsamerweise tat gar nichts weh.
    Mickey zerquetschte fast meine Hand und weigerte sich zu gehen, obwohl die Ärzte ihn anscheinend schon mehrmals dazu aufgefordert hatten. Ich wusste, dass er mich nie im Stich lassen würde, aber er ahnte sicher nicht, wie sehr sein ständiges »Halt durch, Schatz, du musst durchhalten« mir half, mit der Welt verbunden zu bleiben. Er konnte nicht wissen, dass mich ohne ihn das Chaos verschlingen und ich verschwinden würde.
    Auf einmal spürte ich eine kühle Hand auf meiner Stirn und erkannte sofort, dass Charlotte gekommen war. Sie beugte sich über mich und sagte direkt an meinem Ohr: »Was machst du denn für einen Unsinn, mein Fräulein?« Ich hätte weinen mögen, aber ich konnte die Augen nicht öffnen. Sie fragte Mickey: »Wie geht es ihr? Du kümmerst dich gut um sie, ja?«
    »Ich gebe mir Mühe, Charlotte«, sagte er mit zitternder Stimme.
    »Kann losgehen, Dr. Barbee«, sagte jemand auf meiner anderen Seite.
    »Was passiert jetzt?«, fragte Mickey wie ein verängstigtes Kind.
    »Wir holen jetzt deine Tochter auf die Welt.«
    Charlottes starke, tüchtige Hand drückte meinen Arm, und wieder drang ihre leise Stimme in mein Ohr. »Und du bleibst schön hier, junge Dame«, sagte sie bestimmt. »Du bist noch nicht fertig.«
    Ich wurde auf den Rücken gewälzt und versuchte, dabei zu helfen, aber ich konnte meine untere Körperhälfte nicht mehr spüren. Als sie mich offenbar richtig positioniert hatten, wartete ich darauf, dass mir jemand sagte, ich solle pressen, aber niemand sprach mehr ein Wort. Nicht einmal Charlotte.
    Wenn es irgendwie möglich ist, begleitet Charlotte ihre Patientinnen immer selbst bei der Geburt. Da sie hier war, ging ich davon aus, dass
sie
jetzt mein Baby holen würde, aber sie schien nur eine von vielen Personen zu sein, die sich um mich kümmerten. Die Leitung hatte wohl ein anderer Arzt – er war es, der Instrumente verlangte, Werte abfragte, sich vergewisserte, dass Mickey nicht in Ohnmacht fiel. Offenbar fackelte er nicht lange und schnitt meinen Bauch auf.
    Ich wollte unbedingt sehen, was geschah, denn es war auf einmal so still geworden. Selbst Mickey schien den Atem anzuhalten. Leises Raunen setzte ein, aber ich konnte die Worte nicht verstehen, bis sie lauter wurden: »Sie ist winzig – drei Pfund, wenn’s hochkommt. Na los, Süße, atme. Atme, verdammt noch mal!« Offenbar tat sie das nicht, denn im Raum brach Aktivität aus. Ich hörte das Schmatzen eines Ansaugschlauchs und ein leises, würgendes Husten. Dann ein seltsames Wort –
Apgar
 – gefolgt von der Antwort: »Drei nach einer Minute«, was aus irgendeinem Grund die Atmosphäre der Dringlichkeit noch steigerte.
    »Was ist los?«, fragte Mickey leise. Dann ließ er meine Hand los und wiederholte die Frage lauter. Niemand antwortete ihm.
    »Charlotte?«, schrie Mickey mit hysterisch brechender Stimme. »Was ist mit dem Baby? Was stimmt nicht mit ihr? Warum atmet sie nicht?«

[home]
    31
    19 . November – später
    S ie war erst einundzwanzig, als wir uns begegneten, und sie machte mir richtig Angst. Mindestens hundertmal griff ich zum Telefon und legte doch wieder auf. Ich träumte von ihr. Niemand hatte je so mit mir gesprochen, wie sie es tat. Kein Mitleid. Stattdessen die selbstverständliche Erwartung, dass ich mich einer Situation gewachsen zeigen würde, sogar eine gewisse Herausforderung.
    Wenn dir das mit uns einen Versuch wert ist, ich bin hier, sagte sie. Ich, einen Versuch mit ihr wagen! Das war nicht ihr Ernst. Das konnte sie nicht ernst meinen. Ich hatte an jenem Abend nicht die Absicht, sie auf dem Dach zu treffen, aber ich fuhr trotzdem dorthin. Ich muss zwei Stunden lang im Auto vor dem Gebäude gesessen haben, in dem sie wohnte, zwischen zwei Extremen hin- und hergerissen. Ich wollte sie so

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