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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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sich um unser widerspenstiges Baby zu kümmern, und erklärte, ich wolle ins Partners, um etwas mit Jared zu besprechen.
    Unser Städtchen ist fast drei Kilometer lang, vom Pier zum Brinley Loop, und ich stellte überrascht fest, wie gut es sich anfühlte, draußen zu sein. Es hatte den ganzen Abend lang geschneit, und jetzt schien die klare, reine Welt ganz mir zu gehören, denn meine Fußspuren waren die ersten in der frisch gepuderten Landschaft. Auf dem Weg die Main Street entlang wurde mir bewusst, wie tröstlich es war, bei Nachbarn vorbeizukommen, die ich schon so lange kannte, wie ich mit Lucy verheiratet gewesen war. Ich stellte mir die Unterhaltungen vor, die hinter den vertrauten Türen stattfanden. Seit zwölf Jahren waren diese Leute meine Freunde. Ich kannte ihre Geschichten, und sie kannten meine – und wie. Und viele von ihnen hatten mich trotzdem gern.
    Ich dachte an jene Nacht Anfang November zurück, als Lu und ich zu Fuß von Lilys Spaghettiessen nach Hause gegangen waren. Damals hatte ich meiner Frau erklärt, dass ich das Baby nicht wollte, aber ich habe ihr nie gesagt, dass ich schon beschlossen hatte, Brinley zu verlassen. Ich hatte mich endlich dem Gedanken gestellt, dass Lucy sterben würde, und falls es wirklich so kam, wollte ich von hier verschwinden, alles zurücklassen, was mich an meine Frau erinnerte, und mich auf alles stürzen, was meinen Untergang beschleunigen konnte.
    Doch dann kam Abby, und alles war auf einmal anders.
    Ich blickte mich auf dieser stillen Straße um, die flankiert war von Häusern voller Menschen, die ich ins Herz geschlossen hatte. Meine Tochter würde hier in dieser wunderbaren Stadt aufwachsen und geliebt werden, weil man ihre Mutter geliebt hatte. Wie war ich je auf die Idee gekommen, einfach wegzugehen, statt an alledem teilzuhaben?
    In solche Gedanken versunken, hatte ich den Loop erreicht, und es sah so aus, als sei im Brubaker Inn nicht viel los – kaum überraschend so kurz vor Weihnachten. Aber vermutlich war es wie in jedem Jahr für die nächste Woche schon so gut wie ausgebucht. Ich war eigentlich hergekommen, um mit Jared zu sprechen, aber jetzt stellte ich fest, dass ich ihm eigentlich nicht viel zu sagen hatte. Ich wusste, dass ich jederzeit wieder im Partners anfangen konnte. Ja, ich konnte jetzt da hineinmarschieren und auf der Stelle an die Arbeit gehen, wenn ich das wollte. Stattdessen schlug ich den längeren Rückweg zu Ron und Lily ein, die Chestnut Street entlang und an unserem Haus vorbei.
    Natürlich war es dunkel und leer, aber es war mein Haus, und es kannte mich. Vielleicht wäre ich sogar stark genug gewesen, gleich hineinzugehen, aber ich betrachtete es nur, als könne ich dadurch erreichen, dass überall das Licht anging und Lucy die Tür öffnete.
    Natürlich geschah nichts dergleichen. Das Haus war leer, und nichts hatte sich daran verändert seit dem Morgen, an dem Lucy so elend und krank aufgewacht war und wir ins Krankenhaus gefahren waren. Ich hatte ihr ein Glas Apfelsaft eingeschenkt, doch sie hatte es abgelehnt. Es stand noch auf der Küchentheke. Das Bett war nicht gemacht, Wäsche lag im Trockner, und die Butter stand im Kühlschrank. Wie konnte alles völlig unverändert bleiben, nachdem das Unvorstellbare doch alles verändert hatte?
    Auf dem Dach und in der Einfahrt lag der Schnee gut dreißig Zentimeter hoch. Ich zögerte nur kurz, ehe ich hinten herum zur Garagentür ging, die ich nie abschloss, und die Schneeschippe herausholte. Der Schnee war viel schwerer, als er aussah, und die Bewegung fühlte sich gut an. Es war bitterkalt, bis auf die heißen Tränen, die mir übers Gesicht liefen. Aber es war ein schönes Gefühl, mich körperlich anzustrengen, meinen Herzschlag zu spüren und die eisige Luft zu atmen. Als ich mit der Einfahrt fertig war, machte ich mit Harrys weiter und schaffte etwa die Hälfte, bis er am Straßenrand hielt.
    Jan war schon aus dem Auto gesprungen, ehe Harry auch nur den Motor abgestellt hatte. »Mickey, mein Lieber, was um Himmels willen tust du da?«
    Ich zuckte in ihrer Umarmung mit den Schultern. »Ich wollte eigentlich nur ein bisschen spazieren gehen.«
    »Also, hier bist du jedenfalls fertig«, erklärte sie. »Den Rest kann Harry morgen machen. Jetzt komm erst einmal mit rein, dir muss ja eiskalt sein. Wir trinken einen Tee zusammen. Oder möchtest du Suppe? Heiße Schokolade?«
    Harry hatte mir die Schneeschippe aus der Hand genommen. »Widerspruch ist zwecklos, Mic. Sie wird

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