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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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Das mit uns wurde gerade erst richtig ernst, und sie hat mich zu ihrer Heiligabendparty eingeladen. An dem Tag habe ich mich in ihre Welt verliebt. Ich fand es cool, dass ihre Mutter diese Tradition eingeführt hat, als sie noch klein war. Die ganze Nachbarschaft einzuladen, in dieses kleine Haus. Ich glaube, Heiligabend mochte Lu noch mehr als den Weihnachtstag.«
    Ron nickte. »Ja, das war immer ein Riesenrummel.«
    »Also denke ich, wenn ich es an Heiligabend schaffe, nach Hause zu gehen, dann wird es nie wieder so schwer sein wie an diesem Abend. Aber ich muss sagen …« – ich starrte auf Abby hinab – »… ich kann mir kaum vorstellen, sie hierzulassen. Ron, ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich so empfinden würde. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.« Das zarte Gewicht von Abbys winzigem Körper in meinen Armen schnürte mir die Kehle zu. »Aber Lucy wusste es«, krächzte ich. »Sie kannte mich so genau.«
    Ron schwieg, und als ich zu ihm aufblickte, starrte er mich an. »Mic, bist du sicher, dass du einverstanden bist mit … damit, wie es ist?«
    Ron kannte meine Antwort. Sie spiegelte sich in seinen traurigen, klugen Augen. »Natürlich. Es geht gar nicht anders. Du und Lil seid wunderbare Eltern. Bei euch wird Abby immer sicher und geborgen sein.«
    Rons Miene war traurig, aber beharrlich. »Sie wäre auch bei dir immer sicher und geborgen, Mickey. Du hast in deinem ganzen Leben nie jemanden verletzt. Ich finde, du urteilst zu streng über dich selbst.«
    Ich schob den Zeigefinger in Abbys winzige Hand, bis ihre leicht gekrümmten Finger ihn halb umfassten. »Na ja, absichtlich würde ich ihr nie weh tun, das ist klar.«
    »Mickey, ich weiß, wie es sich anfühlt, ein Baby zu verlieren. Es ist die Hölle. Ich kann mir kaum vorstellen, dass du das überleben würdest.«
    Ich blickte zu meinem ruhigen Freund auf, der da in T-Shirt und Baumwollhose vor mir stand, schon auf dem Weg ins Bett. Er bot mir praktisch seine nackte Kehle dar.
    »Aber ihr habt es überlebt. Oder?«
    »Das stimmt. Aber ich weiß nicht, ob man wirklich von Überleben sprechen kann, weil wir immer noch an unseren kleinen Jungen denken, uns ausmalen, wie er jetzt wohl aussehen würde, mit dreizehn. Wenn das Telefon klingelt, stellen wir uns vor, er wäre es, der da anruft, um sich mit ganz erwachsener Stimme zu erkundigen, ob ich Ronald Jerome Bates sei. Und ob ich mich erinnern könne, dass ich mal eine Zeitlang einen kleinen Jungen hatte.« Ron zuckte mit den Schultern und blickte zu Boden. »Er ist irgendwo dort draußen, Mic, und ich frage mich oft, ob ich wohl einmal auf dem Bürgersteig an ihm vorbeigegangen bin oder in einer Warteschlange hinter ihm stand. Das hört nie auf.«
    Ich sah Ron an und staunte darüber, dass er jeden Tag mit diesem Kummer herumgelaufen war, ohne je darüber zu sprechen.
    »Das wünsche ich wirklich niemandem, Mic. Und dir zuallerletzt.«
     
    Später am selben Abend hörte ich Lily weinen. Das Haus hat recht dünne Wände, und obwohl ich ihre und Rons Worte nicht verstehen konnte, waren die Gefühle unverkennbar. Ich war immer noch im Kinderzimmer. Als Ron mir eine gute Nacht gewünscht hatte, hatte ich behauptet, ich würde auch gleich ins Bett gehen. Aber ich war nicht gegangen, und jetzt hatte ich das Gefühl, mich nicht rühren zu können. Sie stritten nicht. Ich hörte keine erhobenen Stimmen, nur das leise Weinen einer Frau und die Bemühungen eines Mannes, sie zu trösten. Abby rekelte sich in meinen Armen und begann bald zu wimmern. Ich legte sie an meine Schulter und rieb ihr den Rücken, was sie nur noch mehr aufbrachte. Also legte ich sie auf den Wickeltisch und holte eine neue Windel hervor, aber das war es auch nicht. Ihr ärgerliches Quengeln steigerte sich bald zu zornigem, rotgesichtigem Geschrei. Ich wollte gerade nach unten gehen, um ihren Milchersatz anzumischen, da kam Lily schon mit einem Fläschchen herein. Ihre Augen waren rot und verquollen, doch sie lächelte tapfer.
    »Man könnte die Uhr nach ihr stellen«, sagte sie.
    »Tut mir leid, dass wir euch geweckt haben. Da stand ich wohl auf dem Schlauch.«
    »Du hast mich nicht geweckt, Mickey.«
    »Lil …« Ich streckte die freie Hand nach ihr aus, doch sie wich zurück.
    »Mickey, nicht. Ist schon gut. Mir geht’s gut.«
    »Es tut mir leid, dass das alles so schwer ist, Lily.«
    Sie biss sich auf die Lippe. »Das braucht dir nicht leidzutun. Ich muss mich nur erst an all das gewöhnen.«
    Wir blickten

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