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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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sondern von mir. Sie starrte mich unablässig an, als beschäftige sie etwas Wichtiges.
    »Alles in Ordnung, Lil?«, fragte ich.
    Sie nickte kaum merklich und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Rüschen am Bezug des Babybetts.
    »Das ist alles wunderschön, nicht?«, bemerkte sie mit leicht zitternder Stimme.
    »Es ist einfach bezaubernd«, schwärmte Priscilla und lenkte mich damit von Lily ab. »Jan hat uns drei perfekt eingefangen. Es ist nicht zu fassen.«
    Ich nickte und wandte mich wieder Lily zu, doch sie war verschwunden.
    All meine Freunde hätten ruhig noch lange bei mir bleiben können. Gern die ganze Nacht. Den ganzen Winter. Aber ich verabschiedete mich freundlich, als einer nach dem anderen mir eine gute Nacht wünschte, und jeder einzelne von ihnen erbot sich, mich am nächsten Tag durchzufüttern. Die Einladungen lehnte ich weder ab, noch nahm ich an. Ich dankte ihnen nur dafür, dass sie an mich dachten, und ließ mir alle Optionen offen. Wanda Murphy legte mir die kalten Hände an die Wangen und zog mein Gesicht zu sich heran.
    »Gott segne dich, Mickey, und Gott segne dein kleines Mädchen«, sagte sie und küsste mich auf die Nasenspitze. Gleasons Besorgnis rührte mich zutiefst, als er mir sagte, er werde sein Handy während der Feiertage eingeschaltet lassen. Ich drückte ihn fest an mich.
    »Du schaffst das schon«, versicherte er mir. »Fürs Erste sei dir nur bewusst, dass es seine Zeit dauern wird. Und ruf mich an, wenn du mich brauchst.«
    »Das mache ich.«
    Ron hatte Abby warm eingepackt und in ihre Babyschale geschnallt. Sie trug einen winzigen Hut, der ihr bis dicht über ihre großen Augen ging, und ich schwöre, dass diese weit aufgerissenen Augen direkt in mein Inneres schauten. Ich beugte mich über sie, küsste sie und befahl mir, noch nicht zusammenzubrechen. In fünf Minuten würden alle fort sein. So lange müsste ich noch warten.
    Ron legte mir eine Hand auf die Schulter. »Alles in Ordnung, Mic?«
    Ich richtete mich auf und nickte, sprach aber erst, als ich meiner Stimme wieder traute. Schließlich sagte ich: »Mir geht’s gut. Wir sehen uns morgen.«
    Lily war damit beschäftigt gewesen, Abbys Sachen in die riesige Tasche zu packen, die sie immer mit sich herumtrug. Außer Lily waren nur noch Harry und Jan im Haus. Jan erklärte mir gerade, was alles an Essen übrig geblieben war, als sich Lily an mir vorbeischob. Sie hätte sich ohne ein Wort zur Tür hinausgeschlichen, wenn ich sie nicht am Arm gepackt hätte. »Lil?«
    Sie drehte sich um. »Ja?«
    Ich öffnete den Mund. Ich hatte ihr etwas sagen wollen, aber nichts davon fiel mir ein. Stattdessen versuchte ich zu lächeln und dankte ihr für alles. Sie sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und mich auf die Wange küsste. »Bis morgen früh, Mic.«
    »Bis dann.«
    »Wenn dir das hier zu schwer fällt, kannst du immer noch mit zu uns kommen.«
    »Ich schaffe es schon, Lil. Aber vielen Dank.«
    Ich begleitete sie zum Auto und sah zu, wie Ron die Babyschale auf dem Rücksitz festschnallte. Er winkte mir, und sie fuhren los.
    Jan küsste mich auf die Wange. »Ich schließe die Hintertür nicht ab, falls du mein Sofa brauchen solltest«, sagte sie.
    Harry hakte sich bei seiner Frau unter, und die beiden stapften durch meinen verschneiten Vorgarten. Ich blieb noch ein paar Minuten an der Haustür stehen und sah meinen Freunden nach. Dann ging ich wieder hinein.

[home]
    36
    I ch schloss die Tür ab, blieb still stehen und lauschte nach einem Echo des Lärms, der noch vor wenigen Minuten mein Haus erfüllt hatte. Nichts. Ich war allein. Ich ließ diese Einsamkeit auf mich wirken und stellte überrascht und ein wenig erfreut fest, dass ich darauf nicht negativ reagierte. Dann ging ich in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Aber sie sah nicht aus wie meine Küche. Jan und ihre Mannschaft hatten sie blitzblank hinterlassen. Alles war aufgeräumt, keine Kleinigkeit lag irgendwo herum, wo sie nicht hingehörte. Der Tisch, auf dem vorhin so viel Essen gestanden hatte, trug jetzt eine karierte Tischdecke, und genau in der Mitte stand ein Körbchen mit Kiefernzapfen, das ich nicht als unseres erkannte. Die Stühle waren ordentlich an den Tisch gerückt, die Arbeitsfläche makellos sauber, das Spülbecken glänzte.
    Das gefiel mir nicht. Es war zu perfekt. Zu ordentlich. Ich nahm drei Löffel und ein Messer aus der Schublade und ließ sie auf die Küchentheke fallen.

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