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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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an.«
    Ich folgte Oscar nach oben und zauderte nur kurz am Kopf der Treppe, als mein Blick ins Schlafzimmer fiel. Dort drin würde ich ganz sicher weinen. Aber später, allein. Nicht jetzt. Oscar merkte nichts von meinem emotionalen Stolpern, er führte mich weiter zu Priscillas altem Zimmer und schaltete das Licht an. Ich hörte ein Geräusch aus meiner Kehle dringen, ein teils gequältes, teils ehrfürchtiges Stöhnen, das meine Gefühle ziemlich genau ausdrückte. Ich stand in einem wunderschönen Kinderzimmer. Meine Freunde hatten da weitergemacht, wo Lucy und ich aufgehört hatten, und das Chaos in ein Zimmer wie aus einem Märchen verwandelt. Die Wände waren in dem zarten Rosa gestrichen, das Lucy ausgesucht hatte, und die Vorhänge, Kissen und Decken waren Pastellgrün mit ein paar gelben Akzenten. Lucy hätte es sehr gefallen.
    Ich ging hinein, setzte mich auf die breite, neu gepolsterte Fensterbank und ließ das Zimmer auf mich wirken. Es war so schön, dass es in einer Zeitschrift gezeigt werden sollte. Und Lucys Hand war überall zu erkennen. Es war genau so, wie sie es sich erträumt hatte.
    »Wer hat das gemacht?«
    »Wir alle zusammen«, antwortete Oscar. »Treig und ich haben gestrichen, Ron hat den Boden fertiggemacht, und Earl und Chad haben die Fenstersitzbank gepolstert.«
    »Und der Schaukelstuhl ist ein Geschenk von Lucy«, erklärte Treig mit traurigem Lächeln. »Den hat sie im Sommer bei mir gekauft. Sie dachte, dass er perfekt für dich wäre, und ich gebe ihr recht.«
    Ich schüttelte den Kopf und spürte meinen Kummer wie einen schweren Druck auf der Brust.
    »Das Wandbild hat natürlich Jan gemalt, und die Mädels haben den ganzen Nähkram gemacht«, fuhr Oscar rasch fort, um mich abzulenken.
    Jans Gemälde nahm eine ganze Wand ein. In einem üppig grünen Wald fiel ein Sonnenstrahl durch das Blätterdach auf drei kleine Mädchen mit grünen Augen, die auf einem Baumstumpf eine Teeparty abhielten. Sie sahen den Prinzessinnen in dem Buch, das Lily mir ins Krankenhaus gebracht hatte, bemerkenswert ähnlich. Als ich meine Frau als Kind darauf erkannte, gab ich den Tränen nach, mit denen ich schon den ganzen Abend kämpfte. Jan kam zu mir und küsste mich. »Ich konnte nicht widerstehen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
    »Es ist umwerfend.«
    Jans Werk hatte die gleiche Wirkung auf Priscilla, die sich an Lilys Hand klammerte und unverhohlen weinte. Ihr stand der Mund offen, doch es kam kein Wort heraus.
    Ron kam mit Abby herein. »Was sagst du, Mic? Ganz hübsch geworden, oder?«
    »Fantastisch«, sagte ich und nahm ihm meine Tochter ab. Abby war hellwach und betrachtete die Zimmerdecke, ruhig und lieb und völlig ahnungslos, dass all das hier für sie war. Ich streichelte sie. »Das ist dein neues Zimmer«, flüsterte ich ihr ins Ohr. Zumindest war dies das Zimmer, in dem sie wohnen würde, wenn ich auf sie aufpasste. Bei dem Gedanken zog sich mein Herz zusammen.
    Nachdem alle das Zimmer bewundert und ihrer Begeisterung Ausdruck verliehen hatten, verlagerte sich die Party wieder nach unten, wo inzwischen der Nachtisch bereitstand. Nur Lily, Priscilla und ich blieben noch im Kinderzimmer. In diesem weichen Licht wirkten Lucys Schwestern jung und verletzlich. Priscilla wurde mit jeder Minute emotionaler. Große Tränen liefen ihr über die Wangen, also ging ich zu ihr und legte ihr den freien Arm um die Schultern.
    »He, du wirst dir noch das Make-up ruinieren«, sagte ich. Sie weinte noch heftiger, schniefte sogar ein paarmal, aber sie sah mich ohne jede Verlegenheit an, obwohl ihr Make-up verschmiert war und ihr die Nase lief.
    »Ich habe mich furchtbar geirrt, Mickey. Ich bin so dumm. Und es tut mir entsetzlich leid.«
    »Was denn?«
    »Alles. Du. Lucy. Vor allem dieser Engel hier«, sagte sie und stahl Abby aus meinen Armen. »Ich verstehe nicht, wie ich so denken konnte.«
    »Tja …« Ich schluckte. »Es ging mir genauso«, gestand ich dann, denn auf einmal war mir nur zu bewusst, wozu auch ich meine Frau gedrängt hatte. Ich sah zu, wie Priscilla Abbys Köpfchen an ihren Hals schmiegte. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht zeigte tiefe Reue, und die konnte ich gut nachempfinden.
    Priss trug Abby zu dem Wandgemälde hinüber und beugte sich dicht zu der Teegesellschaft vor, um jedes kleine Mädchen genau zu betrachten. Die ganze Zeit über hatte Lily sich zurückgehalten. Sie wirkte wie gebannt, wie verzaubert, nicht so sehr von diesem Zimmer oder Priscillas ungewohnter Emotionalität,

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