Tanz auf Glas
Aufenthaltsraum.
»Also«, fragte Mickey und schlang mir einen Arm um die Schulter, »was hast du morgen vor? Kannst du zu meiner Sitzung bei Gleason kommen?«
»Würde ich gern, aber da findet der Gedenkgottesdienst für Celia statt. Erinnerst du dich?«
»Ach ja, richtig. Wie konnte ich das vergessen? Hast du Nathan schon gesehen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe vor ein paar Tagen angerufen, aber er hat sich nicht gemeldet.« Mickey und ich schwiegen für eine Weile in Gedanken daran, wie grausam es ist, wenn jemand so abrupt aus dem Leben gerissen wird. Celia Nash war im vergangenen Herbst bei einem Fußballspiel ihres Sohnes von einer Biene gestochen worden und an dem Stich gestorben. Damals lebten sie in Phoenix, wo Nathan als Orthopäde erfolgreich eine eigene Praxis betrieb. Doch nach dem Tod seiner Frau beschloss er, mit seinen Kindern nach Hause zurückzukehren, wo sie seinen und Celias Eltern näher waren. Jetzt, ein halbes Jahr später, hielt die Familie einen Gedenkgottesdienst ab, und anschließend sollte Celias Asche auf dem River’s Peace Cemetery beigesetzt werden. Beim Gedanken daran, wie glücklich Celia und Nathan gewesen waren, drückte ich Mickeys Arm fester an mich.
Wir wollten uns gerade setzen, als eine Krankenschwester Mickey holte, um ihm Blut abzunehmen, damit sie den Valproatspiegel messen konnten. Während ich auf ihn wartete, klingelte ein Handy, und ich brauchte ein paar Augenblicke, bis ich erkannte, dass es mein eigenes war. Ich kam nicht mehr rechtzeitig dran, doch das Display zeigte mir Charlotte Barbees Nummer an. Mein Herz begann zu pochen. Ich hatte ihre Praxis erst vor drei Stunden verlassen. In so kurzer Zeit konnte sich doch kaum herausstellen, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, oder? Während ich dasaß und mich fragte, was Charlotte wohl von mir wollte, kam Peony herein und sagte, jemand hätte im Schwesternzimmer für mich angerufen.
Es war Dr. Barbee, und sie wollte mich sehen.
Charlotte war noch mit ihrer letzten Patientin beschäftigt, aber Bev Lancaster am Empfang hatte mir gesagt, es würde nicht mehr lange dauern. Bev sah mir an, dass ich ein bisschen nervös war, und gab sich Mühe, mich mit einem mitfühlenden Lächeln zu beruhigen.
»Möchten Sie etwas Süßes, Lucy?« Sie wies auf die Glasschale neben dem Telefon, die stets gut gefüllt war. Ich schüttelte den Kopf, nahm mir dann aber trotzdem ein Bonbon. Natürlich kannte Bev meine Krankenakte, daher konnte sie den Grund für meine Angst vermutlich erraten. »Es dauert bestimmt nicht mehr lange«, versicherte sie mir erneut und sammelte ihre Sachen ein. Es war fünf Uhr, und sie hatte Feierabend.
Ich war so lange im Krankenhaus geblieben, wie ich konnte, und hatte eifrig genickt, während Mickey redete. Allerdings wusste ich kaum, was ich da abgenickt hatte. Wahrscheinlich alles Mögliche über Hawaii. Doch dann hatte ich meinem Mann gesagt, ich hätte Kopfschmerzen und müsse nach Hause. Ich hatte ihm noch versprochen, ihn später anzurufen. Jetzt saß ich hier in Charlottes vornehmem Wartezimmer und rang mit dem scheußlichen Gefühl, das ihr Anruf in mir geweckt hatte. Auf dem Weg nach draußen legte Bev mir kurz eine Hand auf die Schulter. »Alles wird gut, meine Liebe. Sie werden schon sehen.«
»Oh, sicher«, sagte ich, doch es klang kein bisschen überzeugt.
Dann war ich allein. Ich sah mich in Charlottes Wartezimmer um, dessen gesamte Einrichtung beruhigend wirken sollte: dunkles Holz, vertäfelte Wände, üppige Polstermöbel, weiches Licht. Es sah wirklich nicht aus wie der letzte Ort auf Erden, an dem man sein wollte – es fühlte sich nur in diesem Moment so an. Ich saß in einem bequemen Sessel, mit Toile-de-Jouy in Schwarz und Creme bezogen. Auf dem Stoff waren französische Damen dargestellt, die Tee tranken und vermutlich über ihre eleganten, aber ungewaschenen Liebhaber plauderten.
Die Tür zum Sprechzimmer ging auf, und Elaine Withers trat ins Wartezimmer, gefolgt von Charlotte.
»Und denk daran, was ich dir gesagt habe«, donnerte Charlotte. »Ruh. Dich. Aus.«
Lainy sah mich an und verdrehte die blassblauen Augen gen Himmel. »Sie kommandiert mich ständig so herum, Lucy. Ich weiß wirklich nicht, warum ich mir das bieten lasse.«
Ich stand auf und lächelte meine Nachbarin an. »Aber natürlich weißt du das, Lainy.«
»Na, hoffentlich ist sie zu dir netter als zu mir, meine Liebe«, sagte Lainy und ging.
Ich sah zu, wie sich die Tür hinter ihr schloss,
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