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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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ich irgendetwas falsch interpretiert?«
    »Nein. Nein, es liegt an mir. Ich glaube, ich lag falsch.«
    »Was soll das heißen?«, fragte ich mit einem scheußlichen Gefühl in der Magengrube.
    »Lucy, ich sollte das nicht tun.«
    »Wovon redest du?«
    Wieder lagen ihm die Worte auf der Zunge, aber er sprach sie nicht aus.
    »Mickey, ich weiß, dass du mich magst. Und du musst gemerkt haben, dass ich dich auch mag. Wo liegt also das Problem?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht.«
    »Was denn?«
    »Ich bin ein ziemlich oberflächlicher Typ, Lucy. Ich habe nur deshalb so lange überlebt, weil ich gelernt habe, einfach den Augenblick zu genießen und nicht allzu viel auf die Zukunft zu setzen. Ich glaube nicht, dass das deine Art ist.«
    »Da hast du recht. Meine Art ist es eher, mit Schwung ins kalte Wasser zu springen. In meiner Welt wimmelt es von Männern, die nur für den Augenblick leben, und ich kann dir sagen, dass ich von denen die Nase voll habe. Das ist eine Zeitlang ganz lustig, aber letzten Endes ist es gar nichts – leere Kalorien. Das ist nicht das, was ich will.«
    »Was willst du denn?«
    »Ich will einen interessanten, aufrichtigen Mann in meinem Leben haben. Jemanden, der mir nichts vormacht.«
    Er stand so dicht vor mir, und ich verlor mich gerade in seinen Augen, als er flüsterte: »So ein Mann bin ich nicht, Lucy.«
    »Bist du sicher? Mir scheinst du nämlich genau so einer zu sein.«
    Er schüttelte mit unsagbar trauriger Miene den Kopf.
    Wir standen uns gegenüber, eins sechzig gegen eins fünfundachtzig, fünfzig Kilo gegen etwa hundert, doch ich hatte den zitternden Mickey Chandler vollkommen in der Hand. Ich trat einen halben Schritt vor und streichelte sein Gesicht. Als er sich nicht rührte, küsste ich ihn, erst auf die eine Wange, dann auf die andere, und dann küsste ich ihn zärtlich auf den Mund. »Wenn du es mit mir versuchen willst«, sagte ich leise, »weißt du ja, wo du mich findest.«
    Er schluckte. »Ich fürchte, du bist ein bisschen naiv, Lucy.«
    »Kann sein«, erwiderte ich leicht verärgert.
    »Ich wollte damit nicht andeuten, dass …«
    »Schon gut. Ich bin noch sehr jung, und du hast wahrscheinlich recht – was dich angeht, mag ich etwas naiv sein. Aber ich habe Neuigkeiten für dich, Mickey: Du vielleicht auch. Ich weiß nicht mehr als du, und so gern du das glauben möchtest, du weißt genauso wenig. Ich weiß nicht, ob ich mit dir zusammen sein will, Mickey, aber ich finde es nur richtig, das herauszufinden. Also … musst du wohl entscheiden, ob das mit uns einen Versuch wert ist.« Ich steckte den Schlüssel ins Schloss. »Wenn ja, treffen wir uns morgen Abend bei mir auf dem Dach. Du bringst deine Antwort mit und ich den Sonnenuntergang.« Ich öffnete die Tür, betrat meine Wohnung und drehte mich noch einmal um. In seinen Augen stand eine solche Qual, dass ich nicht mehr wusste, was ich sagen sollte. »Überleg es dir, Mickey.«
    Mit hämmerndem Herzen schloss ich die Tür, fest überzeugt davon, dass ich ihn nie wiedersehen würde. Ich hatte eine einzige, fabelhafte Verabredung mit ihm gehabt, und deswegen wollte das junge Mädchen in mir die Tür wieder aufreißen und ihm nachlaufen. Doch einem anderen Teil von mir, wesentlich reifer, als mein Alter nahelegte, war sehr wohl bewusst, dass Mickey ein angeschlagener Mann war, ein Mann, der Angst hatte. Ich mag damals noch sehr jung gewesen sein, aber ich habe mich schon alt gefühlt, seit meine Mutter so krank wurde. Mickey war älter als ich, doch so unglaublich verletzlich. Ich lehnte mich an die Tür, völlig frustriert, weil all das gar keine Rolle spielte. Denn ich würde ihn nie wiedersehen.
    Am nächsten Tag tat ich roboterhaft das, was von mir erwartet wurde, während meine gesamte Aufmerksamkeit der Uhr galt. Dieser Tag musste endlich vorbeigehen, damit ich mein Leben wieder aufnehmen konnte. Denn solange der Tag nicht vorüber war, gab es noch die Möglichkeit. Morgen würde diese Möglichkeit tot sein. Ich würde Lily anrufen, und wir würden uns zum Mittagessen treffen. Ich würde ihr von dem wunderbaren Abend erzählen, bei dem sie auch ihre Hand im Spiel gehabt hatte, und dann würde ich ihr haarklein erzählen, wie er geendet hatte, und dabei diese Augenblicke einen nach dem anderen loslassen. Aber erst musste ich dieses Morgen erreichen.
    Endlich, um zwanzig nach sieben, stieg ich in Shorts und barfuß auf das Flachdach meines Apartmenthauses. Von hier aus hatte man eine

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