Tanz auf Glas
kannst
Mickey Chandler
Priscilla nahm mir die Karte wieder ab und küsste mich auf die Wange. »Bitte sei vorsichtig«, sagte sie auf dem Weg zur Tür.
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8
10 . Juni 2011
I ch habe mich von den Mädels im Schwesternzimmer verabschiedet, ehe Peony mich durch die Sicherheitstür hinausließ. »Seien Sie brav, Michael«, sagte sie. Ich salutierte zum Abschied. Ich war fünf Mal während meiner Ehe und vier Mal davor hier in stationärer Behandlung – Peony weiß, dass ich mir Mühe geben werde.
Vom Edgemont gehe ich gern zu Fuß nach Hause. Es ist nicht weit, und es gefällt mir, dem Krankenhaus buchstäblich den Rücken zu kehren. Das hat etwas Symbolisches. Hierhergekommen bin ich in unterschiedlichen Varianten des Zusammenbruchs. Panisch vor Angst – oder nicht einmal mehr fähig, Angst zu haben. So lethargisch, dass ich nicht mehr stehen, und so aufgedreht, dass ich nicht sitzen konnte. Sie kümmern sich immer gut um mich, aber ich fürchte mich trotzdem ein bisschen beim Gedanken daran.
Ich weiß noch, dass meine Mutter einmal wochenlang in der Klinik gewesen war, als ich noch ganz klein war. Wir fuhren mit Dad hin, um sie abzuholen. Er erlaubte uns nicht, mit hineinzugehen, also warteten wir im Wagen. David las ein Comicheft, und ich beobachtete den Haupteingang.
»Du weißt, dass sie ihr das Hirn gebrutzelt haben, oder?«, sagte David zu mir.
»Was heißt das?«
»Elektroschocks. Sie haben sie gegrillt. Wahrscheinlich weiß sie nicht mal mehr, wie wir heißen, also … na ja, erwarte nicht allzu viel von ihr.«
David war fünf Jahre älter als ich, und ich glaubte alles, was er sagte. Aber damals behielt er nicht recht. Mom ging ein bisschen komisch, als wäre ihr schwindelig, und Dad musste sie stützen, aber als sie uns sah, fing sie an zu weinen. Sie krabbelte einfach auf den Rücksitz, drückte und küsste uns und heulte sich die Augen aus. Und sie wusste, wie wir hießen.
Unser Haus erkannte sie nicht, aber sie kannte unsere Namen …
Ich wachte früh und unglaublich optimistisch auf, und sobald mir das bewusst wurde, versuchte ich das Gefühl zu bremsen. Ich musste mich um wichtige Dinge kümmern: Mickey würde heute nach Hause kommen. Es war so ein schöner Tag! Wäre es nicht herrlich, alles zu vergessen und einfach segeln zu gehen? Ich rief Lily an und fragte sie, ob sie und Ron heute vorhätten, das Boot zu nehmen. Lily erklärte, sie werde wohl das ganze Wochenende lang mit einer Sonderaktion im
Ghosts
beschäftigt sein, also gehöre das Boot ganz mir.
Dann erkundigte sie sich, ob ich Priscilla gesehen hätte. Hatte ich nicht, und auf einmal fand ich es auch ein bisschen seltsam, dass meine Schwester sich seit der Trauerfeier nicht mehr gerührt hatte.
»Na ja, falls du sie siehst«, sagte ich zu Lily, »sag ihr, dass wir segeln gegangen sind.«
»Viel Spaß«, entgegnete Lily, doch ehe ich aufhängen konnte, überraschte sie mich mit einer weiteren schnellen Frage. »Hast du etwas von Charlotte gehört?«
»Warum?«, fragte ich und suchte in Gedanken fieberhaft nach einer Notlüge.
»Ich habe mich nur gefragt, ob deine Laborergebnisse schon da sind.«
»Ach so. Nein, noch nicht. Müssten aber bald kommen. Ich sehe wirklich keinen Grund zur Sorge.«
»Na ja, dann werde ich mir wohl auch keine Sorgen machen.«
»So ist es recht. Ich wünsche euch einen großen Kundenansturm.«
»Und ich euch nur eine schöne Brise.« Sie kicherte.
Als ich auflegte, pfiff der Zug, und ich wusste, dass Mickey jeden Moment zu Hause sein würde. Er ging vom Edgemont immer zu Fuß, das Krankenhaus liegt nur ein paar Querstraßen weiter. Für Mickey hat es symbolische Bedeutung, als freier Mensch von dort fortzugehen. Als neuer Mensch.
Ich wartete auf der vorderen Veranda. Und da kam er um die Ecke, in seiner Jeans und einem weißen T-Shirt, den Rucksack lässig über einer Schulter. Wer den starken, drahtigen Körper und das offene Lächeln meines Mannes sah, hätte nie vermutet, welche Dämonen in seinem Inneren Poker spielten.
Er sah mich und grinste, und ich konnte mich nicht beherrschen. Ich rannte barfuß auf die Straße, sprang in seine ausgebreiteten Arme und schlang schamlos die Beine um seine Taille. Er fühlte sich absolut fantastisch an. Dann küsste er mich, und mit der Welt stand alles zum Besten.
Ich kann den geistigen Gesundheitszustand meines Mannes anhand seiner Küsse einschätzen. Wenn er manisch wird, ist er sehr stürmisch, richtig grob, was nicht immer
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