Tanz der Aranaea (German Edition)
Marmor, der Lift, das Treppengelände aus Schmiedeeisen und Wohnungstüre aus edlen Hölzern, wiesen auf eine bessere Gesellschaft, die sich hier nieder gelassen hatte. Dies hier war kein Mietshaus, sondern eine Nobelherberge, die sich gewaltig von den Häusern unterschied, wie wir sie auf der Fahrt mit der Taxe durch Constantine bisher sehen konnten. Der Mann mit osteuropäischer Physiognomie war ein wahres Muskelpaket. Man konnte seine durchtrainierten Proportionen deutlich erkennen, und die Nähte seiner Anzugjacke hatten sichtliche Mühe die Urgewalten mit Gegendruck zu bändigen. Er war etwa ein Meter neunzig groß und obwohl ich auch verhältnismäßig gut durchtrainiert war, wirkte ich neben ihm wie ein Hänfling. Männerneid tat sich in mir auf, obwohl ich keinen Grund dazu besaß. Ich war durchtrainiert, nicht klein, hatte ein schnelles Auge und eine sehr schnelle Linke. Muskelpakete verringerten die Schlaggeschwindigkeit - alles nur Optik. Das Muskelpaket klopfte in einem bestimmten Rhythmus gegen die schwere Wohnungstür, die dann auch sofort von einer Frau mit halblangen blonden Haaren, geöffnet wurde. Der Garderoberaum lag im Halbdunkel, in den sich diese Frau, nach Öffnen der Tür, auch gleich um einige Schritte zurückzog. Dabei bat sie uns näher treten zu wollen, was wir auch taten, verbunden mit gleichzeitigen Entschuldigungen des Störens zur späten Stunde. Ich erklärte ihr, dass uns eine Taxe vom Restaurant Étoile in unser Hotel Panoramique bringen sollte und wir unterwegs durch puren Zufall auf den Boulevard de Fontainebleau gestoßen wären. Das Leuchten der Lichter in den Fenstern dieses Anwesens veranlasste uns, ihnen noch zu später Stunde einen Besuch abzustatten.
»Treten Sie doch näher Monsieur Vancelli. Mein Name ist Michelle La Toustelle. Welche hübsche Begleitung haben Sie denn dabei? Zouzou und Sabi Loulou haben mir davon nicht gesagt. Ich bin der Annahme gewesen, dass sie alleine anreisen, wie heißen Sie denn Mademoiselle?«
»Mein Name ist Pleasant Magouba, Madame! Monsieur und ich - wir sind verlobt.«
»Oh, très intéressant! Ich bin etwas romantisch angehaucht, liebste Mademoiselle und höre solche Geschichten für mein Leben gerne. Sie müssen mir alles erzählen liebe Pleasant. Ich darf Sie doch Pleasant nennen? Es ist ein so schöner Name, "Pleasant!"«
Sie hauchte dieses "Pleasant", mit einer Verve an die Gardinenstange, als hieße es die Vorhänge für alle Zeiten an die Gardinenstange mit Verve nageln zu müssen. Eine teuflisch charmante Tante, die Madame, dachte ich.
»Natürlich dürfen Sie mich Pleasant nennen, Madame. Ich bitte darum.«
»Sie müssen mich dann aber auch mit Michelle anreden, Pleasant. Nicht Madame, bitte!«
»Gerne Michelle. Sie sind sehr lieb und sympathisch.«
Michelle La Toustelle war etwa dreißig Jahre alt, und nicht sehr groß. Ihre Pumps in Lack und Leder, mit hohen so genannten Pfennigabsätzen, gaben ihr eine Größe, die sie von Natur nicht besaß. Das halblange blonde Haar gab einen schönen Kontrast zu ihrer schwarzen lang geschnitten Jacke, die sie ohne Bluse auf ihre Haut trug und die nur so weit ausgeschnitten war, als das man leicht den Ansatz des nicht allzu üppigen Busen erahnen konnte. Der ebenso schwarze Rock ragte nur wenige Zentimeter unter dem Saum der Jacke hervor und schwarze Strümpfe rundeten die sehr schöne Gestalt in ihrer Gesamtheit ab. Eine Art von Garderobe die man gewöhnlich um diese Zeit, es war weit nach Mitternacht, nicht mehr angezogen hatte und schon gar nicht in den eigenen gemütlichen vier Wände. Es sei denn, man erwartete noch Besuch, oder etwaige Besucher waren noch anwesend. Vielleicht war sie ja auch nur von einem Abendessen nach Hause gekommen. Wir betraten den Salon und Michelle La Toustelle bat uns Platz zu nehmen. Mit einem leichten Nicken zu dem Muskelpaket, entfernte sich dieser um wenige Zeit später mit drei Gläser und einer Bouteille Champagner wieder zu erscheinen. Stilvoll öffnete er die Flasche und bediente uns der Reihe nach. Daraufhin bewegte er sich wieder unauffällig zurück. Wahrscheinlich war die Küche sein Metier und ich war mir fast sicher, dass dies nicht Monsieur La Toustelle war. So benahm sich kein Hausherr, selbst wenn es der größte Waschlappen wäre, so würde er wenigstens durch ein kleines Aufflackern von letzthin doch sinnlosem Widerstand, seine winzige Rolle als Ehemann, behaupten wollen. Dieser Muskelmensch konnte nach allem Erwägen nur der
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