Tanz der Aranaea (German Edition)
mit gewaltigem Platschen auf die Erde nieder um sich dann mit letzter aufbäumender Energie noch an unsere Kleidung zu klammern. Insgeheim bewunderte ich Zöpfchen, die all dies klaglos über sich ergehen ließ. Sie könnte mir auch die Knochen verfluchen, weil ich unbedingt mit einem Motorrad hinter Zouzou und Sabi Loulou herjagen wollte. Sie verstand unsere Lage, und wusste genau, dass man zwischen drei Uhr morgens und zwölf Uhr mittags nicht so ohne weiteres ein Auto auftreiben konnte, schon gar nicht in Nordafrika. Ein Motorrad ließ sich da schon leichter aus einem Depot stehlen, gleich zu welchem Ministerium dieses Depot gehörte.
Es war bereits sechzehn Uhr und vor uns lag das römische Ruinenfeld von Timgad. Wir erschraken zutiefst, denn mit diesem Ausmaß an Steinbruch hatten wir nicht gerechnet. Der Himmel über Timgad war nicht mehr von schmutzig grauen Wolken verdeckt, die uns von Batna bis kurz vor Timgad begleiteten. Das in der Ferne liegende Aures Gebirge ließ sich an seinen nackten schwefelgelben Flanken erkennen. Wir umfuhren einen Teil Timgads, welches auf einer Hochebene lag und mit schwärzlichen Steinbrocken und kleineren Felsen übersät war. Zusammen mit den römischen Ruinen bildeten sie ein vom Verfall erwünschten Chaos.
»Wie konnte ein so mächtiges Imperium wie Rom untergehen, Said-Francesco? Kein Stein steht mehr auf dem anderen und bestimmt gab es hier auch einmal Menschen wie dich und mich sowie Sabi Loulou und Zouzou, die lachten, lebten und liebten und auf eine gute Zukunft hofften. Alles ist vorbei und vergangen Said-Francesco.«
»Ja Zöpfchen, alles vorbei und Geschichte. Bis die nächsten zweitausend Jahre vergehen, werden noch viele Zöpfchens, Zouzous, Sabi Loulous und Francescos geboren und wieder sterben, wie es noch viele Völker und Imperien geben wird, die kommen und vergehen.«
»Du machst mich traurig Said. Ob es dann überhaupt noch Menschen geben wird? Franzosen, Schweizer, Engländer, Deutsche und Wodaabe und alle die anderen, Said, wird es die noch geben?«
»Wenn sie so weitermachen wie bisher Zöpfchen, wahrscheinlich nicht! Zwei Weltkriege in einem Jahrhundert und der dritte stand mit der Kubakrise dicht zuvor. Europa ist getrennt und die beiden Supermächte USA und die Sowjetunion, reiben sich die Felle an ihren ideologischen Grenzen. Ein Funke genügt und Karthago und Rom vernichten sich gegenseitig.«
Etwa vierhundert Meter entfernt von den Ruinen der Römerstadt befand sich ein byzantinisches Kastell, dass im Vergleich zu „Timgad - Thamugadi “ noch einigermaßen erhalten war. Wir ließen unser Motorrad an dem Kastell stehen und begingen zu Fuß das Ruinenfeld.
»Wo fangen wir mit der Suche an Zöpfchen?«
»Keine Ahnung Said, mit dem Friedhof? Gehen wir einfach drauf los bis wir irgend etwas finden? Es sind bestimmt keine Touristen zu finden, aber vielleicht haben wir Glück und treffen auf einen Wärter, der diese Anlage bewacht.«
»Gute Idee Zöpfchen, so machen wir es.«
»Weißt du was Said? Wenn ich solche antiken Anlagen sehe, bin ich jedes Mal so stark beeindruckt. Marie-Claire ließ mich zur Schule gehen und da habe ich sehr viel vom römischen Imperium gelesen. Wir Wodaabe haben nichts zustande gebracht. Wir wissen noch nicht einmal wo unsere Wurzeln liegen oder sogar wie viele wir überhaupt sind. Sind es hunderttausend oder hundertfünfzigtausend, oder mehr oder vielleicht weniger? Seit tausend Jahren rennen wir den Kuhschwänzen hinterher, sonst nichts.«
»Das solltest du nicht so sehen Zöpfchen, und guck nicht so traurig. Nomadenvölker wie die Wodaabe haben ebenso ihre Aufgabe in der menschlichen Evolution, wie alle die anderen Völker auch. Ich meine sogar eine sehr wichtige Aufgabe.«
»Welche denn Said-Francesco? Schau dir doch nur dieses Amphitheater an, hier müssen drei- bis viertausend Menschen
den Aufführungen und Spielen und was es sonst noch für Veranstaltungen gab, beigewohnt haben.«
»Du hast es eben gesagt Zöpfchen, „ beigewohnt haben“. Das hier ist Geschichte, Vergangenheit. Zwar nicht vergessen aber dennoch vorbei! Es gibt keine römische Kultur mehr, es gibt aber noch die Wodaabe Kultur. Sie gab es wahrscheinlich schon zu Zeiten der Römer und sie gibt es heute und sie wird auch noch einige Zeit bestehen. Du hast mir einmal erzählt, dass die Wodaabe in der Regenzeit im Juli, nach In Gall, bei Agadez, zur Salzkur wandern und dort mit Tanz und Gesang und in farbenfrohen Kleider das
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