Tanz der Aranaea (German Edition)
Hammelköpfe. Wollte man ein Stück Hammelfleisch kaufen, so musste man zuvor die Fliegenvölker verjagen. Erst danach sah man, was man gemeinhin als Fleisch bezeichnet konnte. Und dazu dieser immerwährende Fischgestank!
»Wo bleibt denn nur die Empfangsmusik für uns? Wo ist dieser amerikanische Straßenkreuzer der uns zu Harri Al Schwabbti bringt? Der Knacker heißt doch so, oder?«
»Harun Al Sabti heißt die Kanaille, lieber alter Tonton.«
»Ich bin nicht alt, Zouzou Zizanie, bin erst fast vierzig geworden, vorletztes Jahr, und das ist nicht alt!«
»Aber Harun Al Schwabbti isses, Cello. Alt, Bauch, Glatze, Goldzähne und zwei junge dralle Weiber«, sagte Sabi.
»Also doch wie die Tonton!«
»Stimmt Zouzou, zwei Weiber habe ich auch schon am Bein hängen, und was für zwei dralle Weiber!«
»Willst du einen Heringskopp an deinen musischen Schädel? Ich bin nicht drall«, schimpfte Sabi.
»Ich bin auch nicht drall. Alle können sehen, dass ich Oben herum nicht viel habe, im Gegensatz zu Sabi. Die ist mehr drall, Oben herum, als ich.«
»Na und, ich bin vielleicht Oben herum draller als du, Zouzou. Dafür habe ich keinen fetten Hintern.«
»Ich? eine fette Popo? Die fette Popo haben nur die Tonton. Ich nicht!«
»Da haste auch wieder recht, Zouzou. Im Übrigen ist der Cello der fetteste von uns. Guck nur wie er nach den fetten, drallen, zahnlosen Weibern glotz. Ich sage dir Zouzou, der Cello steht auf so was.«
»Tonton, mach die Mund zu. Das sieht nicht gut aus.«
Auf der anderen Seite der Straße die Grande Mosquee und etwas seitlich davon die Mosquee de la Pecherie, mit einer für orientalischen Bauweise ungewöhnlichen Turmuhr, die an dem Minarett angebracht war.
Gleich hinter den Geschäftsstraßen klettert die Casbah den Berg hinauf, die von der alten türkischen Bergfestung dem Fort de la Casbah beschützt wurde. Zumindest konnte ich mir vorstellen, wie vor 300 Jahren die Türken mit ihren Kanonen, die Casbah und den Hafen beherrschten. Von dort oben war bestimmt der herrlichste Ausblick auf die Stadt und über das Mittelmeer zu erwarten.
Wir überquerten den Place des Martyrs und gingen in Richtung zur katholischen Kathedrale Saint-Philippe, die seit einem Jahr wieder wie im 18. Jahrhundert eine Moschee ist. Hier herrscht ein unübersichtliches Gewimmel von Arabern und Kabylen. Wir ließen uns auf der Steintreppe der in orientalischem Stil erbauten katholischen Kathedrale nieder. Es war kalt und Nebel lag über der Stadt. Soldaten der Nationalen Volksarmee des Verteidigungsminister Houari Boumdienne trugen russische Stahlhelme und Kalaschnikow Gewehre. Sie fuhren mit Militärfahrzeuge sowjetischer Bauart durch die Straßen. Touristen waren keine zu sehen.
»Haben die hier immer noch Schwierigkeiten mit den Wilayas?«, sagte Zouzou nachdenklich.
»Wer oder was ist Wilayas?«, fragte ich.
»Cello, das verstehst du noch nicht«, meinte Sabi-Loulou, »dass ist eine lange Geschichte. Wilayas nennt man hier die verschiedenen Provinzen und in der Wilaya III gibt es eine Partisanengruppe der FSS, für dich heißt dies die Front der Sozialistischen Kräfte. Es sind Berber, Kabylen die einen brutalen Partisanenkrieg gegen uns Algerien-Franzosen führten. Sie lehnen Ben Bella und seine politische Gleichschaltung ab. Nach der Unabhängigkeit im Juli 1962 hat ein gewisser Ben Khedda mit Hilfe der Wilaya III eine Exekutive in Algier etabliert. Ich sage dir Francesco, das war
hier ein Budenzauber. Die verschiedenen Wilayas haben aber Ben Khedda keineswegs akzeptiert. Zouzou ist zu dieser Zeit schon mit Mama und Papa in Frankreich gewesen. Daniel, Micheline, Phillipe, Frederick, unsere Brüder und ich sowie Harry Pichler der Legionär, den kennst du ja, wir lebten zu der Zeit in Bab el Oued, dem damaligen Europäer Viertel. Als die Grenzarmee Boumediennes von der tunesischen Grenze aus in Alger einmarschierte und Ben Bella die Präsidentschaft übernahm, haben sich die Krieger der Wilaya III in ihr Gebirge, die Kabylei zurückgezogen. Wir, unsere Brüder und ich sowie Harry Pichler, haben danach das Land verlassen. Mit uns sind mehr als eine Million Algerien-Franzosen nach Frankreich ausgewandert. Eigentlich war es ein überstürzter Exodus, Francesco. Du kannst dir kein Bild machen, was sich hier vor achtzehn Monaten abgespielt hat. Die wirklich Unglücklichen waren die Harki, so nannte man die algerischen Hilfstruppen, die mit uns gegen die algerische Front de Libération
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