Tanz der Aranaea (German Edition)
danach war ich tief und erschöpft angelehnt an einen größeren Felsblock, eingeschlafen. Es wurde kein allzu langer Schlaf. Noch vor Sonnenaufgang weckte mich ein leises, schmatzendes Geräusch und als ich die Augen öffnete, sah ich eine kleine Herde Gazellen, die sich über die reichhaltige Vegetation auf dem Djebel Gouraya, hermachte. Zu mehr als meine Augen zu öffnen, war ich nicht in der Lage. Ich war steif wie ein Brett und die Kleider waren feucht und kalt. Jetzt kam auch noch ein unbändiger Hunger auf und ich beneidete die Gazellen, die sich an den Grasspitzen vergnügten. Am liebsten würde ich ihnen das feine Gras, vor ihren Mäulern wegfressen haben.
Dienstag, 17. Dezember 1963.
Mit dem Fernglas suchte ich nach der Angel, und konnte erkennen, dass das Schiff unverändert in ihrer Position, weit außerhalb der Hafengewässer lag. Jedenfalls werde ich nachher in Bejaia mein Vorhaben zu Ende führen, und mich unverzüglich nach Constantine, zu den Bergerac’, absetzen, überlegte ich. Ich dachte zunächst nicht nochmals bei Marie-Claire Hochstätt auftauchen zu wollen. Zöpfchen würde nicht mit mir nach Agadez fahren, nicht nachdem sie gesehen hatte, was hier auf dem Djebel Gouraya, geschah.
Ich sollte die Kabylen um Ait Ahmed’, von Constantine aus informieren, dass sie sich die Lagepläne der Waffendepots, bei Al Sabti, dem OAS Mann, in Algier, besorgen sollten, und somit die Waffen in ihren Besitz nehmen könnten.
Beim Abstieg vom Djebel Gouraya sah ich, welch ein unvergleichlich schöner Anblick es gab. Die Küstenstadt Bejaia, in der Größe einer europäischen Mittelstadt lag tief im Tal und ein Teil von ihr war bis an die Hänge des Djebel Gouraya gebaut. In der Senke, in der die Stadt Bejaia lag, wurde die Große Kabylei von der Kleinen Kabylei durch den Fluss Oued Soummam getrennt und an den Hängen der mir gegenüberliegenden Gebirgskette der Kleinen Kabylei, erkannte ich einige verstreut liegende Dörfer, die Vogelnesterartig an die Felsen geklebt schienen.
Es waren jene „Gourbi“ von denen Moulud Dhabou im Museum gesprochen hatte, und die ich auch auf den Gemälden bewunderte. Saumpfade führten zu ihnen hinauf. Romantisch wild, doch zugleich auch erhaben, erinnerte mich diese Bergwelt an meine Heimat in der Schweiz, nur, dass der weiße Firnschnee der Gletscher fehlte. Kleine Flüsse stürzten auf steile Hänge herab und fraßen sich immer tiefer in das felsige Gebirge hinein. Immergrüne Eichen und Korkeichen vermischten sich mit dem Johannisbrotbaum und wilden Oliven. Ich konnte mich nicht satt sehen und eine innere Unruhe überkam mich bei diesem herrlichen Anblick. Es war mir als wollte ich alle diese Bilder auf einmal in mich aufsaugen und ich spürte, dass ich mich mit einem Male in dieses Land verliebt habe.
Da erst verstand ich Marie-Claire Hochstätt. Marie-Claire, Zouzou und Sabi Loulou und alle die hier lebten waren diesem Zauber dieses Landes erlegen und weiter verstand ich die Menschen, die sich für ein Leben in diesem Teil Nordafrikas, aufopferten, und es niemals hergeben wollten. Sie waren dem Zauber dieser Landschaft, dieser Stadt, erlegen, und ich verstand die Menschen, die einmal hier gelebt haben und vielleicht in alle Winde verweht waren, dass sie sich nach ihr von ganzem Herzen zurücksehnten. Den Abstieg hatte ich geschafft, und entlang der Küste war ich zum Leuchtturm von Cap Cabon gegangen. Den Zettel Lefebres mit seinem Vermerk, dass er mich mit Dhabou, im Museum gesehen hatte, zerknüllte ich und warf ihn ins Meer. Vor dem Abstieg bekam ich von einer Anhöhe aus einen Blick über das ganze Areal des Hafens.
Neben dem Hauptgebäude waren noch einige Nebengebäude vorhanden. Ein kleinerer Zugang zu einem dieser Gebäude interessierte mich zunehmend, er zeigte zu einer Anlegestelle für kleinere Segelschiffe, und Motorboote. Dieser Zugang zum Hafen schien mir weniger riskant als die anderen und lag etwas abseits zum Haupteingang. Zwei bewaffnete algerische Soldaten, die in Bezug auf Kleiderordnung und der Mimik entnehmend, ansonsten keine sonderliche Dienstbeflissenheit zeigten. Wenige Meter vor dem Eingang zum Bereich der Anlegestelle, entdeckte ich einen Imbissladen. Es war noch sehr früh am Morgen und das Tor zum Hafen noch verschlossen. Dieser Kiosk war dennoch von einer größeren Menge an Hafenarbeiter umlagert. Ich gesellte mich zu ihnen und bestellte mir bei dem etwas ölig wirkenden Chef de Cuisine, so stand es jedenfalls in großen
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