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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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entstand eine Pause.
    »Tut es dir Leid um ihn?«, wollte er wissen.
    Ich zuckte die Schultern. »Er hat sich um mich gekümmert. Obwohl es den Anschein hatte, als sei ihm nichts so wichtig wie seine Pläne. Ich habe nie recht gewusst, woran ich mit ihm war. Doch er hat mein Leben beschützt.«
    Was hatte ich gesagt? Warum sah er mich so seltsam an?
    »Du meinst das, was auf dem Turm geschehen ist?«, fragte er.
    »Ihr wisst davon?«
    »Man hört so manches – wenn man große Ohren hat.«
    Ich musste lächeln. Große Ohren hatte er wirklich. Er grinste zurück wie ein durchtriebener Junge, obwohl er mit meiner Auskunft gewiss nicht zufrieden war, und entblößte wieder diese kräftigen Zähne, die mir damals im Schneelicht als Erstes an ihm aufgefallen waren.
    »Schlaf dich aus«, sagte er. »Dann bist du morgen bei Kräften. Ich werde dich abholen. In Ordnung?«
    »Gut«, sagte ich ohne große Begeisterung. Ich hatte gehofft, gleich jetzt mit ihm gehen zu können.
     
    Sambo lag schon unter seiner Decke, als ich auf den Dachboden kam, wo ich nun wieder mein Lager aufgeschlagen hatte.
    »Werdet ihr hier in der Stadt bleiben?«, fragte er nach einer Weile.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und, falls ihr geht, werde ich von dir hören?«
    »Das ganz gewiss. Aber lass uns abwarten.«
    Ich lag mit offenen Augen da. Unter dem Hemd fühlte ich noch immer den vertrauten und dennoch beunruhigenden Druck des Skorpionmedaillons. Meine Gedanken wanderten. Die Kerze brannte langsam herunter. Als ich sie löschen wollte, fiel mein Blick auf ein gefaltetes Stück Papier, das in dem Bündel Wäsche steckte, das Mutter Gluck für mich zurechtgelegt hatte.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Sambo. »Das liegt da schon seit gestern. Es war wohl in deiner Jacke, als sie gewaschen wurde. Du musst doch wissen, was es ist.«
    Ein gelbes, fest zusammengefaltetes Stück Papier. Ich erinnerte mich. Ahasver hatte es mir gegeben, kurz bevor er starb. Der Brief von Vater Sebastian. Ich war nicht dazu gekommen, ihn zu lesen.
    Zögernd faltete ich das Blatt auseinander. Ich sah die Schrift, die ich so gut kannte. »Mein liebes Kind …« Wenige Sätze nur, von denen mich einige trafen wie Dolche:
    »Meine Krankheit ist schon sehr weit fortgeschritten. Wenn du diesen Brief in Händen hältst, werde ich wohl nicht mehr unter den Lebenden sein. Denke an alles, was ich dich gelehrt habe. Gott sei mit dir.«
     
     
     

AS H AUS AUF DEM B ERLICH
    »Sieh einer an«, empfing mich Polonius am nächsten Morgen. »Ein früher Kunde. Und schon reisefertig!« Er hockte wie immer in der letzten Zeit in einem Winkel am langen Tisch auf der Sitzbank. Ich glaube sogar, er schlief auch dort, halb sitzend und in eine schäbige Decke gewickelt. Er sah aus wie ein großer, magerer Vogel, aber seine Augen blitzten mit einem wachen, spöttischen Ausdruck.
    »Lass dir Zeit beim Frühstück!«, hörte ich Mutter Gluck, die schon am Herd hantierte. »So eilig wird es dir wohl nicht sein, von hier fortzukommen.«
    »Wer weiß, wann er kommt«, sagte ich unsicher.
    Grifone hielt Wort, er war pünktlich. Die Tür ging auf, und da stand er. Mir wurde die Sorglosigkeit bewusst, mit der ich den Eingang aus den Augen gelassen hatte, obwohl ich doch gespannt auf die Ankunft dieses Mannes wartete. Ahasver war tot. Seine Feinde hatten ihr Ziel verloren. Die Gefahr war vorbei. So glaubte ich.
    »Da bist du ja«, sagte Grifone und legte mir die Hand auf die Schulter. »Können wir gehen?«
    »Ich bin fertig«, sagte ich. Aber er schien gar nicht auf meine Antwort zu achten, sondern nickte flüchtig Mutter Gluck und Polonius einen Gruß zu. Er redete nicht viel an diesem Morgen. Noch weniger als sonst. Seine Gedanken eilten ihm offenbar schon wieder voraus. Das ließ mich an Ahasver und seine Art denken.
    »Wohin werden wir gehen?«, fragte ich. Dabei konnte ich mir seine Antwort schon vorstellen.
    »Wart ab«, sagte er denn auch, genau wie erwartet. Mein Ärger über seine vertrackte Geheimniskrämerei wuchs aufs Neue. Was sollte es heißen, dass er mich wie ein Kind behandelte? Hatte er soviel zu verbergen? Und sollte das etwa in Zukunft so weitergehen? Doch ich hatte wieder nicht den Mut, ihm das ins Gesicht zu sagen. Noch nicht.
    Grifone drängte. Seine Finger trommelten sacht auf die Tischplatte, und sein Blick schweifte wachsam umher. Er war ein ungeduldiger Mensch, das überraschte mich gar nicht. Unbewusst rieb er sich die Schulter. Er trug den Arm

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