Tanz der Dämonen
Gejohle seiner Zuhörer eine fremdländisch klingende Strophe anstimmen. Es war Französisch. Ich habe die Verse später noch anderswo gehört, und deshalb weiß ich genau, wie sie gelautet haben: » Pour ce, amez tant que vouldrez … – Darum liebt, so viel ihr wollt …« Eines der Lieder von François Villon, seine Ballade über die Torheiten der Liebe.
Ich trat auf die Straße. Es dunkelte schon wieder, und es roch nach Schnee. Ich lenkte meine Schritte zur inneren Stadt und fand mich bald in den Gassen um den Dom wieder. Auf einem Prellstein hockte der Kerl mit den Marderschwänzen an der Joppe. Der, von dem es hieß, er sei ein Spitzel der Stadtwache. Selbst er war mir recht. Ich musste mit jemandem reden.
»Na?«, krächzte er. »Suchst deine Freunde, wie? Treiben sich anderswo rum! Haben wohl was aufgetan, das mehr einbringt als Betteln. Sag schon!«
»Ich weiß nicht, wo sie stecken.« Von mir würde er gar nichts erfahren.
Er begann nun über alle herzuziehen, die er kannte, und jeden Klatsch breitzutreten, den er aufgeschnappt hatte. Es war wie ein Wasserfall, aber ich wollte einfach nicht alleine sein. So hörte ichseiner Suada mit halber Aufmerksamkeit zu, bis ein Stichwort fiel, das mich aufhorchen ließ.
»Es spukt dort. Schon vor ein paar Nächten hat ’s angefangen! Sie sagen, er ist wieder da und stöbert in seinen Büchern.«
»Wer denn?«
»Ja, hörst du denn nicht zu? Der verrückte Priester, den der Gottseibeiuns vom Dom gestürzt hat.«
»Pater Nabor?«
»Ja doch! Nachts geistert Licht in seinem Haus herum, und man hört seltsame Geräusche.«
»Wer sagt das?«
»Alle reden davon.«
»Hast du es selbst gesehen?«
»Bin ich verrückt? Ich werd wohl nicht dem Leibhaftigen hinterherkriechen!«
Ich hatte plötzlich ein Bild vor Augen: Grifone sucht nach dem geheimnisvollen Schatz. Das Buch des Teufels lässt ihm keine Ruhe. So stiehlt er sich davon und macht alle glauben, er sei gar nicht in der Stadt. Dabei steckt er im Haus von Pater Nabor und kehrt dort das Unterste zuoberst. Wer sonst sollte es sein? Noch ein paar Tage, hatte er gesagt, dann ist alles vorüber …
Es kommt mir selber närrisch vor, aber in diesem Augenblick schien es mir völlig klar: Ich musste der Sache auf den Grund gehen.
»He«, rief Marderschwanz hinter mir her. »Es wär jetzt an der Zeit, dass du mir was erzählst!«
Ich hörte gar nicht hin.
Das Haus von Pater Nabor schien mir die Lösung aller Rätsel zu enthalten. Gleich gegenüber, im tiefen Dunkel, bezog ich Posten und betrachtete die unheimliche Fassade. Ich wartete. Ein paar Mal kamen Männer vorbei, die meisten in kleinen Gruppen und einige reichlich bezecht. Sonst war es still zu dieser abendlichen Stunde. Und es dauerte nicht lange, bis ich meine Bestätigung erhielt:Hinter den oberen Fenstern schimmerte plötzlich Kerzenschein, verschwand wieder und tauchte im Erdgeschoss von neuem auf. Ich hatte genug gesehen, und mein Plan war gemacht. Wie ich Grifone die Stirn bieten würde, sollte ich plötzlich vor ihm stehen, das kümmerte mich nicht.
Ich verließ mein Versteck und ging ein Stück die Gasse hinauf in Richtung Dom. Nach wenigen Häusern bog ich links in einen engen, stockfinsteren Durchgang ein. Der führte mich in einen Hof und dann zwischen zwei Mauern entlang. Einmal musste ich stehen bleiben, weil ein Mann aus einer Tür ins Freie trat. Ich hörte ein leises Plätschern und ein erleichtertes Schnaufen. Es roch nach Urin. Die Tür klappte wieder zu. Ich setzte meinen Weg fort und schlüpfte durch einen Torbogen. Dann im Hof vorwärts bis zu einer Leiter, die noch von irgendwelchen Dacharbeiten an der Wand lehnte; hinauf und vorsichtig über das Bretterdach eines Schuppens. Nur jetzt kein verräterisches Geräusch!
Von hier oben hatte ich einen freien Blick auf die rückwärtigen Fenster im Obergeschoss von Pater Nabors Haus, denn der Schuppen war unmittelbar an dessen Hofseite angebaut. Ich wartete wieder und begann zu frieren. Der Wind strich eiskalt um die Mauerecke zu meiner Linken. Wiederum brauchte ich nicht viel Geduld aufzuwenden. Das Licht erschien auch in diesen Räumen und enthüllte mir genau, was vorging.
Darin, dass ich erwartet hatte, Grifone und die Seinigen zu sehen, wurde ich allerdings enttäuscht. Der Mann, der sich dort zu schaffen machte, war ein anderer. Doch auch er war kein Unbekannter. Zumindest hatte ich ihn schon einmal hier am Hause gesehen: Es war der stutzerhafte Geck mit dem Hund, der neulich
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