Tanz der Dämonen
willkommen sein in diesem Haus, das dich so sehr fasziniert.«
»Seid Ihr der Herr des Hauses?«, fragte ich.
Seine Brauen zogen sich zusammen, und plötzlich glaubte ich zu wissen, dass seine ganze Geckenhaftigkeit nur gespielt war. In Wahrheit mochte er sich eher als stahlhart und durchtrieben erweisen. Jedenfalls würde ich es besser nicht darauf ankommen lassen, sein Missfallen herauszufordern.
»Nein«, sagte er. »Nicht in dem Sinne, den du meinst. Im Übrigen lass das nicht deine Sorge sein. Du nennst dich Kat, nicht wahr?«
»Kat van der Weyden.« Er hatte entweder ganz erstaunliche Nachforschungen angestellt – oder er konnte hellsehen.
»Und wer seid Ihr?«, fragte ich.
Er schwieg einen Augenblick, um mich abzuschätzen. Dabei glitt sein Blick an mir hinab und wieder herauf – auf eine Art, die mir nicht gefiel.
»Mich kannst du Junker Henrik nennen. Oder sag einfach Meister, wie meine Adepten es tun.«
»Ihr seid ein Lehrer?«
»Das ist eine meiner Fähigkeiten.«
»Und was wollt Ihr von mir?«
»Ich von dir?« Er hob den Kopf und wies meine Frage zurück: »Hör zu! Wir wollen es so halten, dass ich die Fragen stelle und du die Antworten gibst.«
Diesen Text hätte ich inzwischen singen können. Alle sahen in mir nur die Torheit! Da machte dieser Kerl keine Ausnahme. Für was hielt er mich sonst noch? Einen Dieb? Und für wen hielt er sich selbst? Und wer, zum Teufel, war er tatsächlich?
Er machte eine unangenehme Pause, die zweifellos etwas Drohendes enthielt, und fuhr dann fort: »Seit wann bist du in der Stadt?«
»Seit ein paar Tagen«, sagte ich.
»Du warst mit einer Gauklertruppe unterwegs.«
»Bis vor kurzem – ja.«
»Der alte Ahasver, nicht wahr?«
»Er ist tot.«
»Ja, ich weiß. Wie lange bist du mit ihm herumgezogen?«
»Seit dem Sommer. Ihr habt mich noch nichts gefragt, was Ihr nicht schon wusstet.«
Für mich ganz unerwartet, huschte ein Lächeln über sein Gesicht, allerdings ohne jede Wärme.
»Mach dir klar«, sagte er, »dass wir dieses Gespräch auch auf ganz andere Weise führen könnten.« Und dabei hatten seine Augen plötzlich einen unheimlichen Glanz. Ich hätte diesem Blick ausweichen mögen, aber ich vermochte es nicht. Etwas wie Nebel zog sich um mich, und in meinem Kopf war nur Leere, ein Gefühl, wie man es unmittelbar vor dem Einschlafen spürt. Der Atem flach, die Glieder bleischwer. Ich fühlte Todesangst. Dann war der Spuk vorbei – wie weggeblasen, so als habe er mich nur warnen wollen.
Über was für Mächte verfügte dieser Mann?
»Ich glaube, für dich gibt es anderswo nichts zu versäumen«, sagte er. »Wenn du magst, kannst du mit mir essen. Setz dich dorthin.«
Ich weiß bis heute nicht, wieso ich darauf eingegangen bin. Mein Wille, so scheint es mir, war nicht frei. Dies war ein wirrer Tag in einer wirren Zeit meines Lebens.
Leider gab es bei ihm noch weniger zu essen als bei meinen Freunden. Etwas Brot und Käse. Dazu einen merkwürdig schmeckenden Wein, den er seltsamerweise aus einem Destillierkolben eingoss, wie man ihn für chemische und alchimistische Versuche benutzt. Während er dieses Gefäß herbeiholte, nahm ich die Bücher näher in Augenschein. Manche waren mir vertraut. Dass die meisten in Latein geschrieben waren, bildete für mich ja kein Hindernis.
Ich fuhr mit dem Finger über die Einbände. Manche waren schmucklos, dabei spröde und in schlechtem Zustand, andere prunkten mit Goldverzierung und fühlten sich glatt und geschmeidig an. Und dann der Inhalt! Da waren Titel von finsterem oder geheimnisvollem Klang wie Chronologia Mystica von Trithemius oder jenes verrufene Werk De Daemonibus .
Andere kamen mit Schriftzeichen daher, die mir völlig fremd waren, nicht nur griechische und hebräische – diese Buchstabenkannte ich immerhin, wenn ich sie auch nicht zu entziffern verstand –, sondern weitaus ungewohnter und in ihrer Form von einer geradezu boshaft fremden Ausdruckskraft. Ob das Ägyptisch war? Oder eine Schrift von noch fernerer Herkunft? Etwa ein kryptisches Alphabet – nur für Eingeweihte?
Geheimnisvolle Skalen, Diagramme und Ornamente schimmerten im Kerzenlicht.
»Interessiert dich der Hermes Trismegistos ?«, fragte plötzlich die sanfte und zugleich lauernde Stimme hinter mir. Ich erkannte, dass der Mann mich beobachtet hatte. »Oder das da? Der alchimistische Hermaphrodit.« Er zeigte auf ein Blatt, auf dem eine seltsame Gestalt zu sehen war, die halb weiblich und halb männlich erschien. Was
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