Tanz der Dämonen
wirst schon wissen, was richtig ist. Wenn es so weit ist, meine ich. Was schaust du noch? Hast du etwa nicht mehr daran gedacht, dass ich eine Welsche bin?«
»Eigentlich doch, aber …« Das war es tatsächlich nicht gewesen. Es war nur so, dass ihre deutsche Aussprache vorher nie so fremdländisch geklungen hatte wie bei den letzten paar Sätzen. Ich gab mir einen Ruck und sagte: »Ho capito. Fa niente …«
Sie sah mich mit großen Augen an und murmelte: »Du setzt mich immer wieder in Erstaunen. Spricht also Italienisch, das Küken! Wo hast du das gelernt? Aber du hast Recht. Es macht nichts. Und du hast wohl auch begriffen, dass du hier in einem Freudenhaus bist? Aber glaub mir, auch das macht keinen großen Unterschied.«
»Und ich soll womöglich – ernsthaft …«
»Selbstverständlich! Ich habe dieses Kleid selbst einmal getragen, verstehst du? Und der Erfolg war umwerfend. Aber du musst es selber wissen! Madonna! Weshalb gebe ich mir eigentlich so viel Mühe mit dir!«
Diesmal saß ich sehr lange im Bad, La Lupa hatte beschlossen, in dieser Hinsicht unbarmherzig zu sein, und schließlich begann es mir ausnehmend gut zu gefallen. Meinen Körper erfüllte ein Gefühl umfassenden Wohlbehagens, und das lenkte mich von allem anderen ab. Ich schloss die Augen und genoss die Wärme und den Duft. Nach einer Weile goss eines der Mädchen warmes Wasser nach und schrubbte mir den Rücken. Dabei beugte die Person sich über mich und flüsterte: »Viel Glück, kleine Schwester.«
Es war Rosanna. Am liebsten hätte ich gar nichts gesagt, aber ich raffte mich auf, sie zu fragen: »Glück? Wieso?«
»Das weißt du genau! Es geht hoch hinauf mit dir, nicht wahr?«
»Du weißt …?«
»Vergiss nicht, dass manche Wände Ohren haben.«
»Du darfst es ruhig wissen.«
»Ich beneide dich, aber ich freue mich mit dir.«
»Wie meinst du das?«, fragte ich zweifelnd.
»Weißt du nicht mehr? Ein Mädchen muss sehen, dass es vorwärts kommt in der Welt!«
»Ich will aber gar nicht …«
»Dann bist du dumm!«
»Vielleicht hat mein Vater etwas dagegen …«
»Dein Vater? Mag sein.«
»Ich meine – obwohl …«
»Obwohl? Hör zu. Dein Vater ist mehr von einem Kerl, als du ahnst!«
Damit lachte sie mich aus und ließ mich alleine. Eine Küchenmagd brachte mir zu essen. Danach erschien wieder La Lupa, um mir zu erklären, wie ich mich in Gegenwart des Kaisers zu verhalten hatte. Ich wunderte mich erst später, wie gut sie sich auskannte. Sie ließ nicht einmal den Hofknicks aus. Nach kurzer Zeit schwirrte mir der Kopf. Was sollte das alles?
Pünktlich, so wie er sich angesagt hatte, erschien der steif gebügelte Abgesandte des Kaisers, um das Fräulein van der Weyden abzuholen. Alles war so schnell gegangen! Ich vermochte gar nichts zu empfinden.
Als der Höfling seine Reverenz erwies, brachte La Lupa es fertig, mir zuzuzwinkern, ohne dass Seine Ernsthaftigkeit es bemerken konnte. Also ließ ich mich nicht lumpen. Ich riss mich zusammen und schenkte ihm ein gnädiges Kopfnicken. Mit erhobenem Haupt, ganz huldvolle Überlegenheit, rauschte ich an ihm vorbei. Aus den Augenwinkeln registrierte ich: Er maß mich mit einem Blick, dermich innerlich auflachen ließ. Offensichtlich war es mir gelungen, den Eindruck zu erwecken, ich sei eine Dame – und offensichtlich hatte man ihn wissen lassen, die Person, mit der er es zu tun haben werde, sei keinesfalls eine Dame, sondern eher ganz etwas anderes. Schlimm genug – für ihn!
Vor dem Haus, umringt von Neugierigen, wartete eine Reisekarosse, die außer einem goldenen Wappen nicht viel Schmuck aufwies. Dafür war sie aber sehr bequem ausgestattet. Ob sie sonst womöglich vom Kaiser persönlich benutzt wurde? Zwei Kutscher saßen vorne auf dem Bock, und zwei kräftige Lakaien waren am hinteren Ende postiert. Ich stieg ein und hatte nicht einmal Gelegenheit, mich umzublicken. Dennoch hatte ich im Hintergrund eine stattliche Reitereskorte bemerkt. Im Wagen saß neben mir eine Dienerin, die aussah wie eine Bauersfrau, die man in ein Gesellschaftskleid gesteckt hatte. Sie war wohl aus Etikettegründen dabei. Während der ganzen Fahrt hat sie den Mund nicht aufgemacht. Der Höfling zog die Vorhänge zu und nahm auf der Bank mir gegenüber Platz. Dann ertönte ein Kommando, und die Pferde des Gespanns zogen an. Mit leichtem Schwanken ging es zunächst durch die Gassen der Stadt. Das Volk wurde durch energischen Zuruf oder auch durch einen Stoß beiseite gescheucht.
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