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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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zu einer messerscharfen Gewissheit werden konnte? Ich musste es darauf ankommen lassen.
    Ob er mir wohl nachblickte, als ich ihm den Rücken wandte?Nur zu gerne hätte ich mich umgeschaut, aber ich bezwang mich und folgte so würdevoll wie möglich dem beflissenen Diener, der mich zum Kaiser geleiten sollte.
    Ich wurde zunächst in ein Vorzimmer geführt, das edel ausgestattet war. Im Leuchter brannten Kerzen, und den Boden hatte man mit Spreu ausgelegt. Ein unaufdringlicher Duft von Gewürzkräutern lag in der Luft, dazu der Geruch von feuchtem Mauerwerk und altem Holz.
    Während ich dort saß und wartete, ging mir die Begegnung, die ich gerade gehabt hatte, nicht aus dem Sinn. Wenn sich nun alles ganz anders verhielt? Konnte der Graf derjenige sein, der meinen Besuch arrangiert hatte? Dann wäre sein Verhalten glatte Schauspielerei gewesen. War das denkbar? Und was wartete dann auf mich?
    Nach einiger Zeit öffnete sich die innere Tür, und ein weiterer Höfling, vielleicht ein Sekretär aus der Kanzlei des Herrschers, forderte mich auf, den nächsten Raum zu betreten, in dem mich Seine Heilige Kaiserliche Majestät empfangen werde.
    Mein Herz pochte zum Zerspringen. Mit angehaltenem Atem schritt ich über die Schwelle. Immerhin erwartete mich hier niemand anders als der mächtigste Mann der Welt! Ich sah ihn sofort: Da war Seine Heilige Majestät, der Kaiser, persönlich. Während ich ihn zuvor nur von ferne und nur für die Dauer von Augenblicken gesehen hatte, saß er nun ganz nahe vor mir, und er war ganz davon in Anspruch genommen, einem anderen Mann zuzuhören, der mir den Rücken zukehrte, so dass er mich vorerst gar nicht beachtete. Deshalb spürte ich keine Scheu, mir den Herrscher des Heiligen Römischen Reiches – auch König von Spanien und Herr von ich weiß nicht wie viel anderen Ländern –, den Gesalbten des Herrn und größten Monarchen der Welt, mit Aufmerksamkeit anzuschauen.
    Er war erst dreißig Jahre alt, das wusste ich ja, aber etwas in seinen Zügen ließ ihn wesentlich älter erscheinen. Das Gesicht wirkte lang und fein geschnitten, so viel konnte ich erkennen, obwohl erden Kopf gesenkt hielt und die Augen halb geschlossen hatte. Es war ein ernstes und kluges Gesicht. Lächelnd konnte ich es mir vorstellen, lachend hingegen nicht. Und jene Leute hatten Recht, die da sagten, er habe das typische vorspringende Kinn und die breite Unterlippe der Habsburger. Zweifellos. Doch wurde diese auffällige Eigenart durch die geschmeidige Glätte des kurz gestutzten Bartes ein wenig gemildert. Im Kerzenlicht bemerkte ich, dass die Lidränder und die Flügel seiner knochigen Nase gerötet waren.
    Der Kaiser leidet an Schnupfen, dachte ich.
    Seine Kleidung war einfach: ein schwarzes Wams, allerdings aus kostbarem Samt und mit schmaler Brokatlitze abgesetzt. Ein kleiner weißer Kragen hob sich davon ab. Als einzigen Schmuck trug er eine feine Goldkette mit einem goldenen Anhänger. Erschrocken starrte ich hin. Der Anhänger war in Form eines Tieres gestaltet, aber nein, es war kein Skorpion! Es war ein Widder, der freilich seltsam aussah. Später erfuhr ich, dass es der Orden vom Goldenen Vlies war, der Hausorden der Habsburger, früher einmal der von Burgund.
    Während der Mann, der mir den Rücken zukehrte, seinen Bericht abstattete, wobei er so leise sprach, dass ich nichts verstand, nickte der Kaiser von Zeit zu Zeit. Er tat es langsam und konzentriert, und nur seine Hand verriet Gespanntheit, indem sie einen kleinen glänzenden Gegenstand, anscheinend ein Petschaft, hin und her drehte.
    Als der Berichtende geendet hatte, herrschte für eine Weile Schweigen. Dann tat der Kaiser einen tiefen Atemzug und sagte zu einem Schreiber, der im Hintergrund saß und den ich zuvor gar nicht bemerkt hatte: »Setzt eine Antwort auf.« Er sagte das auf Flämisch, was mich nicht wenig erstaunte, weil der Mann, der ihm Bericht erstattet hatte, sich der deutschen Sprache bedient hatte. Dessen war ich mir sicher, auch wenn er gedämpft gesprochen hatte. Allerdings: War der Kaiser nicht in Gent geboren? Ein Flame also von Herkunft, genau wie ich! Was er diktierte, verstand ich Wort für Wort, denn schließlich hatte meine Mutter fast immer Flämischmit mir gesprochen. Es war meine Umwelt gewesen, die mich das Deutsche gelehrt hatte, und natürlich Vater Sebastian.
    Der Kaiser sprach ruhig und bestimmt, so wie einer, der keine Neigung hat, etwas zweimal sagen zu müssen. Als ich den Inhalt der Sätze zu registrieren

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