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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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begann, war schon fast das Ende des Diktats erreicht. So erfuhr ich nicht, an wen der Brief gerichtet war. Es muss jedoch eine Persönlichkeit seines Vertrauens in der flandrischen Provinz seines Reiches gewesen sein: »… denn dies ist mein kaiserlicher Entschluss. Die Politik mag Zugeständnisse fordern, und in Kleinigkeiten will ich nicht unnachgiebig sein, aber der Grundsatz muss feststehen! Ich verurteile die lutherische Ketzerei aufs Schärfste, wenn ich auch gegenwärtig darauf verzichte, mit Gewalt gegen sie einzuschreiten. An meiner Zielsetzung soll es keinen Zweifel geben. Jeder Chronist zukünftiger Zeiten, der berichten wird, das Luthertum habe unter meiner Regierung begonnen, soll Anlass haben, auch die Feststellung zu treffen, dass es mit meiner Hilfe und meiner Anstrengung zufolge ein Ende gefunden hat. Darum gibt es auf Dauer keinen Kompromiss. Alle, die sich vom katholischen Glauben entfernen, betrachte ich als meine Feinde, und wären selbst meine eigenen Eltern unter ihnen!«
    Die abschließenden Höflichkeitsfloskeln, wie sie zweifellos auch einem Kaiser anstehen, überging er mit einer Handbewegung. Sie waren dem Schreiber wohl geläufig.
    Es war etwas von Müdigkeit in der Art, wie der Kaiser sich nun zurücklehnte, während der Mann, der Bericht erstattet hatte, sich mit einer Verneigung zurückzog.
    Es war so still im Raum, dass ich die Uhr auf dem Tisch ticken hörte.
    Dann richtete sich der Blick des Kaisers auf den Sekretär und mich. Mein Begleiter verneigte sich und sagte: »Sire, ich bringe Euch das Fräulein van der Weyden, das Ihr zu sehen wünscht.« Bei dieser Vorstellung wurde mir das Ungewohnte meiner Kleidung heftig bewusst. Zugleich war ich von neuem überrascht, denn der Sekretär, der meiner Vermutung nach aus deutschem Adel stammte, sprachden Herrscher auf Französisch an, so dass ich, weil ich damals von dieser Sprache noch sehr wenig verstand, mehr erraten musste, als dass ich wortwörtlich verstehen konnte, welchen Sinn seine Worte hatten.
    Der Kaiser schien zu zögern. Zuerst glaubte ich, er schaue durch mich hindurch, aber dann spürte ich den Blick seiner klugen Augen unverwandt auf mich gerichtet.
    »Sie ist eine Dame«, sagte er, »das hat mir niemand gesagt.« Auch das war Französisch gesprochen, aber – sosehr es mich in Verlegenheit setzte – ich war mir sicher, dass es diesen Sinn hatte.
    Ich wollte den Knicks ausführen, den ich von La Lupa gelernt hatte, aber der Kaiser winkte ab und sagte: »Kein Zeremoniell! Kommet heran zu mir – seied mir gegrüßt –, und lasset – ansehen.« Das nun wiederum sprach er auf Deutsch, wahrscheinlich, weil er annahm, dass ich nichts anderes verstehen könne. Es ging ihm jedoch nur mühsam über die Lippen, und er musste nach Worten suchen.
    Es war der Sekretär, dem es gelang, eine gewisse Hilflosigkeit, die sich in diesem Augenblick bemerkbar machte, durch eine respektvoll vorgebrachte Anregung zu zerstreuen.
    »Sire«, sagte er, »Fräulein van der Weyden stammt aus Flandern. Es würde ihr gewiss eine Ehre bedeuten, wenn sie in der Zunge ihrer Heimat mit Euch sprechen dürfte …«
    »Ach, gewiss«, sagte der Kaiser mit einem fast entschuldigenden Lächeln, und dabei war er bereits ins Flämische übergewechselt. »Ich bin der Sprache dieses meines größten Landes noch immer nur unvollkommen mächtig. Eigentlich ein Anlass, mich vor der Demoiselle zu schämen.«
    »Eure Heilige Majestät …«, begann ich, vor Verlegenheit fast aufbegehrend – und biss mir erschrocken auf die Lippen. Der Kaiser reagierte mit einem Lächeln. »Mein Fräulein, es genügt, wenn Ihr mich so anredet, wie es meine Umgebung tut. Sie sagen Sire.«
    »S-sire …«, stotterte ich, »ich bin es nicht gewöhnt, wie eine Dame angeredet zu werden. Es verwirrt mich …«
    »Gut, mein Kind«, sagte er. »Dann haben wir also beide klargestellt, dass wir uns durch Formeln nicht beeindrucken lassen, und so mag es ein gutes Gespräch werden.«
    Ich musste schlucken. »Verzeiht!«, murmelte ich. »Was könntet Ihr mit mir zu besprechen haben … Sire.«
    Er schaute mich nachdenklich an. Aus der Nähe betrachtet, wirkte sein Gesicht kränklich oder jedenfalls erschöpft. Seine Unterlippe traf sich nicht genau mit der Oberlippe, wie es sonst gewöhnlich der Fall ist. Darum wohl redeten manche Leute hämisch über seinen »beständig offen stehenden« Mund. Ich fand nicht, dass es seine Erscheinung wesentlich beeinträchtigte. Es gab allerdings seinem

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