Tanz der Dämonen
einmal anzuschauen.
»Hol’s der Teufel«, sagte Grifone. »Du siehst Dinge, die andere nicht sehen, wie? Ich will verdammt sein, wenn es nicht so ist. Bei deiner Mutter war es genauso …«
Das war das Erste, was ich darüber hörte, und nichts hätte ich lieber getan, als ihn zu fragen, was er damit gemeint habe, aber ich war wie mit Stummheit geschlagen.
»Der Teufel soll’s holen«, sagte er noch einmal, ergriff das Glas, wog es in der Hand und roch daran.
»Was soll’s«, knurrte er und schleuderte es in den Kamin, Glas und Inhalt, so wie etwas, das ihn mit Ekel erfüllte.
»Was denkst du jetzt?«, fragte er. »Ich gäbe etwas dafür, wenn ich das wüsste.«
Ich schüttelte den Kopf und schwieg.
Was wollte er hören?
Was konnte ich sagen?
Was sollte ich denken?
Im Saal war Bewegung. Die Gäste waren dabei, sich zu verabschieden.
Der Kaiser und der Gesandte von Frankreich waren nicht zu sehen. Hatten sie sich noch einmal für eine geheime Besprechung zurückgezogen und darüber das Ende des Banketts vergessen?
»Komm weg von hier«, sagte Grifone. »Ich kann nicht bleiben. Und du solltest gar nicht hier sein. Komm mit. Ich will dich hier nicht zurücklassen.«
Um nichts in der Welt konnte ich jetzt mit ihm gehen. All dieses Blut an seinen Händen!
»Ich kann nicht …«, würgte ich hervor.
Er schien nicht zu verstehen, wie ich das meinte. »Du hast Recht!«, sagte er. »So geht es nicht. Deshalb habe ich dir das hiermitgebracht: deine Sachen, die du sonst immer trägst … Also los! Hinter den Vorhang mit dir! Zieh dich um!«
Er drängte mich in den Schatten der Nische, wo ein Bündel für mich bereitlag. La Lupa musste es ihm gepackt haben. Ich gehorchte widerstrebend und kämpfte mit meiner Scheu vor ihm und meinem Misstrauen, das niemals heftiger gewesen war als in diesem Augenblick. Er machte einen Schritt vorwärts, und ich zuckte zurück. Da muss er begriffen haben, dass ich Angst vor ihm hatte. Ich griff nach dem Bündel und schlüpfte rasch hinter einen Vorhang, mich umzukleiden. Grifone blieb vor dem Versteck stehen, damit ich nicht gestört wurde. Es ging schnell, und ich spürte ein Gefühl der Erleichterung, als ich hervortrat und wieder Kat, der Straßenjunge, war. Ich warf einen Umhang, den er mir reichte, über die Schultern, damit der Wechsel nicht zu auffällig hervortrat.
»In Ordnung«, sagte Grifone. »Und jetzt kommst du mit mir!« Er wirkte beruhigt, obwohl es mir vorkam, als habe er meine Verwandlung und Rückverwandlung durchaus noch nicht verwunden. Er drehte sich um und ging hinaus in die Eingangshalle. Ich zögerte, ihm zu folgen. Da trat der Diener, der mich vorhin zum Bankettsaal geleitet hatte, auf mich zu. Er blickte mich verwirrt und mit unverhohlenem Misstrauen an, aber trotzdem entledigte er sich ungerührt seines Auftrags: »Das Fräulein van der Weyden? Ihr seid es, nicht wahr? Seine Kaiserliche Majestät wünscht Euch noch einmal zu sprechen!«
CHIFF IM S TURM
Erneut musste ich warten. Vielleicht waren die geheimen Verhandlungen mit dem Franzosen schwieriger, als man vermutet hatte.
Was mochte Grifone wohl denken, wohin ich so plötzlich wieder verschwunden war? Ob er noch darauf wartete, dass ich ihm folgen würde? Auf welche Weise konnte ich mich vor ihm retten? Ich war nur allzu erleichtert, dass der Wunsch des Kaisers – oder war es ein Befehl? – uns voneinander getrennt hatte. Nur jetzt nicht mit ihm allein sein! Quälend gingen mir die Ereignisse beim Bankett wieder durch den Kopf. Eines war klar: Der Majordomus, Graf Eglof, wie Grifone ihn nannte, war ein Lügner. Er hatte genau gewusst, wen er in mir vor sich hatte: Grifones Tochter, und seine unbeteiligte Haltung war nichts als Täuschung gewesen.
Hatte Grifone Recht mit seiner Behauptung, er, der Graf, habe herbeigeführt, dass ich zu seinem Herrn gerufen wurde? Er konnte wohl nur den Anstoß gegeben haben. Der Entschluss stammte zweifellos vom Monarchen selbst, und er musste durch dessen persönliches Interesse begründet sein. Aber jedenfalls stammten die Kenntnisse über mich, die der Kaiser besaß, diese teils so genauen und andererseits merkwürdig bruchstückhaften Kenntnisse, aus den Ermittlungen seines Majordomus. Aber wozu das Ganze? Was hatte dieser Graf in der Hand? Was wusste er wirklich über mich?
Wie hatte Grifone sich ausgedrückt? Ich als Geisel? Ein Unterpfand, um ihn in Schach zu halten! Das war wohl misslungen – oder nicht? Was konnte der Graf mir antun?
Weitere Kostenlose Bücher