Tanz der Dämonen
deine Grenzen sind?« Der Mann stand in der Stalltür, beide Fäuste in die Hüften gestemmt. Seine Brauen formten einen dicken schwarzen Strich unter dem Barett, und seine schwammigen Wangen zitterten vor Empörung.
Sein Blick sprang zwischen Sambo und mir hin und her. Dann stach er mit dem Finger durch die Luft und deutete auf mich.
»Glaubst du, gottloser Hurensohn, du kannst mir dein ganzes Gesindel auf den Hals holen? Das kriecht mir in Haus und Hof wie die Ratten! Das späht mir jede Gelegenheit zum Stehlen aus und zündet mir am Ende das Dach überm Kopfe an! Gib Antwort!«
Sambo stand wortlos vor ihm, in den Händen ein schwerer Sattel, den er gerade mit Wachs und Bürste bearbeitet hatte.
»Unverschämtheit und Trotz! Das ist der Dank, wenn man so einen Dreck aus der Gosse zieht. Glaubst du, ich sorge für dich und deinen unsauberen Lumpenbruder? Wenn du das meinst, hast du dich getäuscht. Scher dich auf die Straße, ich will dich nicht mehr sehen! Und dein stinkender welscher Kumpan, der kann im Eisen bleiben, bis er so schwarz ist wie du!«
Sambo schwieg immer noch. Nur in seinen Augen blitzte esgefährlich. Auch der Mann, der ihn so attackierte, musste es bemerkt haben, denn er zögerte einen Augenblick; doch Wut und Überheblichkeit behielten die Oberhand.
»Willst du mir vielleicht drohen?«, brüllte er und tat einen Schritt vor. Der Magen krampfte sich mir zusammen. Was würde geschehen, wenn Sambo jetzt seine Beherrschung verlor und diesem Kerl die Antwort erteilte, die er verdiente? Die Büttel auf dem Hals, gemeinsam im Kerker und ich von neuem am Rande des Abgrunds!
Ein Ruck ging durch den mächtigen Körper meines schwarzen Freunds, er hob den schweren Sattel mit aller Kraft vor seine Brust und warf ihn achtlos in den Pferdemist. Schmutz spritzte auf und besudelte den Samtrock des Pfeffersacks. Der holte Luft, um sich auf seinen Pferdeknecht zu stürzen, verharrte aber regungslos, denn Sambo knurrte und fletschte die Zähne.
»Komm, Sambo«, stieß ich hervor. »Lass uns gehen!«
Hinter uns hörten wir das Geschrei des Kaufmanns, der in sicherer Entfernung wütete und uns Verwünschungen nachsandte.
Es war ein kalter Tag voll Sonne und Wind. Die Gassen lagen wie leer gefegt. Fern herüber klangen die Glocken der Kirchtürme. Eine antwortete der anderen. Am lautesten war das Gebimmel eines Armsünderglöckchens ganz in der Nähe. Alle zusammen übertönten sie die zeternde Stimme in unserem Rücken.
»Wohin wollen wir?«, fragte ich, als wir ein gutes Stück entfernt waren.
»Weiß noch nicht«, sagte Sambo. »Zu Mutter Gluck besser nicht. Ihr Haus wird wieder beobachtet. Es ist noch nicht vorbei.«
Das gab mir zu denken.
Besorgt fragte er: »Wird es denn gehen? Kommst du zurecht?«
»Es geht schon. Keine Angst.«
Ich war selbst erstaunt, wie rasch ich wieder zu Kräften gekommen war.
»Wen hat er gemeint?«, fragte ich. »Mit dem Kumpan, der in Eisen liegt.«
»Er meint Pietro.«
»Ich hatte mich schon gefragt, wo er steckt. Ist er im Gefängnis?«
»Nein. Wo er genau ist, weiß ich nicht. Er muss arbeiten für diesen Mann. Was ich verdient hätte, wäre darauf abgerechnet worden. Es ist sehr viel nötig, um ihn auszulösen, verstehst du?«
»Nein. Eigentlich nicht. Oder vielleicht doch. Er hat wieder gespielt?«
»Ja. Er hat gespielt und hat wieder einmal seinen Meister gefunden. Jetzt sitzt er im Dreck. Ob er die Schuld jemals abarbeiten kann …«
»Aber du weißt nicht, wo er ist?«
»Vielleicht in den Warenlagern am Hafen.«
Ich überlegte, während wir an einer schwarzen Mauer entlanggingen, hinter der sich die Dachhaube eines wuchtigen Kirchenbaus emportürmte. Auf den Pfützen lag Eis, und darunter zeichneten sich Luftblasen ab. Ich dachte daran, wie ich als Kind meinen Spaß daran gehabt hatte, diese spröden Krusten zu zertreten. Nun ging ich ihnen aus dem Weg, weil ich um meine mürben Stiefel fürchtete. Im Stiefelschaft steckte wieder das Amulett, der Skorpion. Und das Messer.
»Ich weiß, wo wir hingehen«, sagte ich. »Ich habe dort Freunde, die uns vielleicht helfen können.«
Einen Augenblick lang hatte ich an La Lupa gedacht, aber ich wollte jetzt nicht mit Grifone zusammentreffen. Außerdem: Was war, wenn Ferrand dahinter kam, dass ich nicht tot war? Ich musste noch vorsichtiger sein als früher!
Grifone! Wo der wohl stecken mochte? War er wieder für den Kaiser in geheimen Aufträgen unterwegs? Und ob der Kaiser selbst noch in der Nähe war? Auch
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