Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
Vom Netzwerk:
Kiesel.
    »Es ist der Mambrich !« Unsicheres Getuschel.
    »Der Stein der Künste! Vom großen Zauberer Mambrinus! Direkt aus dem Morgenland! Der Großtürke würde sich vor Zorn den Bart ausreißen, wenn er wüsste, dass dieses Kleinod nicht mehr in seinen Schatzgewölben ruht! Aber der ist ja viel zu sehr beschäftigt mit den tausend Frauen in seinem Harem! Tausend, liebe Leute! Stellt euch das vor!«
    Er hielt den Stein über meinen Kopf. »Nimm den Hut ab, Junge. Mach schon!«
    Ich gehorchte, und er drückte mir den Stein auf den Scheitel, unverständliche Sprüche murmelnd.
    »Ruhe bitte! Alles ruhig!«, fuhr er auf. Eingeschüchtert schwieg die Menge. Irgendwo plärrte ein Säugling, und die Mutter versuchte hastig, ihn zum Schweigen zu bringen.
    »Der Stein übt seine Kräfte aus«, flüsterte Pietro. »Junge, geh in dich. Denk nur an das, was du können sollst. Augen zu! Denk an die Bälle. Denk daran, wie sie fliegen und in deine Hände zurückkehren. Denk an nichts anderes! Ssss! Spürst du schon was?«
    Ich hielt die Augen geschlossen und schwieg. Dann ließ ich meine Gesichtszüge leicht zucken und sich wieder entspannen. Meine Hände begannen in der Luft zu tasten, als suchten sie fliegende Bälle zu fassen.
    Mit einer abrupten Bewegung nahm Pietro den Stein weg, packte mich an der Schulter und drehte mich zum Publikum.
    »Jetzt wird es sich erweisen!«, verkündete er. »Da, Junge, nimm und fang an!« Damit drückte er mir die Bälle in die Hand.
    Langsam und mit traumwandlerischer Sicherheit brachte ich sie in die Ausgangsposition, und dann, als hätten sie nie etwas anderes getan, begannen meine Hände zu wirbeln und die Bälle kreisen zu lassen. Es ging ganz gut. So hatte ich es schließlich in langen Wochen gelernt und geübt, Wochen, die mühevoll gewesen waren, auch wenn Pietro behauptet hatte, ich sei begabt. Immer schneller wurde der spielerische Tanz meiner Hände, immer höher flogen die Bälle.
    »Ah!« und »Oh!«, ging es durch die Menge.
    Pietro verbeugte sich, wies auf mich, wie ich hingerissenes Staunen über die eigene Kunst vorspielte, und hielt triumphierend den Stein in die Höhe, ehe er ihn elegant unter dem Wams verschwinden ließ. Das war mein Zeichen. Pietro wusste genau, wie lange man Menschen in Atem halten kann, ehe sie ins Grübeln kommen. Irgendwann beginnt nämlich auch der Dümmste zu zweifeln und Fragen zu stellen, wenn man ihm die Zeit zur Besinnung lässt.
    Der Applaus kam, und ich taumelte zur Seite, ganz ungläubiges Staunen und atemlose Erschöpfung.
    »Und jetzt etwas nicht weniger Ergötzliches!«, rief Pietro. »Etwas für Auge … und Sinn! Augen auf, ihr Adamssöhne, und schaut, was der HERR , um euch zu ergötzen, an Schönheit geschaffen hat!«
    Sambo schlug die Trommel, Rosanna trat vor und schwenkte ein glänzendes Tamburin, das ein rhythmisches Schwirren verbreitete. Sie stieß einen leidenschaftlichen Schrei aus, der etwa wie »Aiaiaiaiii!« klang, warf den Umhang von sich und stand in einem flammend roten Kleid da, das an einer Seite fast bis zur Hüfte hinaufgeschlitzt war und auch mehr von ihrem Busen zeigte, als gemeinhin für schicklich gehalten wird. Mit einer katzenhaft geschmeidigen Bewegung glitt sie vorwärts und warf sich in einen Tanz, wie ich noch keinen gesehen hatte. Heftige Wendungen, bei denen sie stolz das Kinn hob, wechselten mit schnellen Drehungen. Sie streckte die Hände über den Kopf empor, ließ die Arme wie Schlangen zucken, stampfte mutwillig auf und blickte herausfordernd um sich. Während ich sie völlig gebannt beobachtete, trat Pietro unauffällig neben mich und flüsterte: »Du warst sehr gut!«
    »Aber wozu?«, flüsterte ich zurück. »Wozu soll es nütze sein. Es hat dich keiner nach dem Preis gefragt.«
    »Warte ab. Der Bursche da drüben, der mit den Augengläsern, der brennt darauf, den Stein zu kaufen. Darauf kannst du Gift nehmen. Und, bei Gott, ich werde ihm das Ding andrehen!«
    Damit wandte er sich ab. Seine Augen hingen an Rosanna, die das Tempo ihres Tanzes noch steigerte. Ihre Bewegungen ließen den Rocksaum emporwirbeln, so dass sich ihre Beine bis zu den Schenkeln entblößten. Sambo hatte den Rhythmus aufgenommen und begleitete sie mit rasenden Klangfolgen seiner Trommel. Die Menge fiel klatschend und grölend ein. Ein Hüftschwung, den ein paar Umstehende mit einem Stöhnen beantworteten, kündigte den Höhepunkt der Vorstellung an. Rosanna glich einer wirbelnden Flamme, blitzende Augen, nackte Schultern

Weitere Kostenlose Bücher