Tanz der Dämonen
Auch half ich gerne Pietro, sein Bündel mit Requisiten zu tragen.
Ahasver steuerte auf ein großes und wohlgefügtes Haus zu, das jedoch ziemlich düster und heruntergekommen wirkte. Mehrere Nebengebäude umgaben einen unregelmäßigen Hof, und dahinter lagen offene Lagerhäuser oder Stallungen. Der Alte scheuchte uns durch ein baufälliges Tor und blickte dabei noch einmal unruhig die Straße hinauf und hinab. Im Hof breitete sich eine schmutzige Pfütze aus, die man mit einigen Trittsteinen überquerbar gemacht hatte. Ein Hühnervolk flüchtete auf den dampfenden Misthaufen. Wir traten durch ein enges Portal und standen unversehens in einer geräumigen Küche.
»Holt das Vieh und die Kinder herein«, krähte eine spöttische Stimme, »die Gaukler kommen!« – und schallendes Gelächter ertönte aus zahlreichen Kehlen.
Der Raum hatte eine niedrige Balkendecke; er war erfüllt von rauchiger Wärme und schweren Kochdünsten. Ein wohl gefüllter Kessel stand auf dem Feuer. Und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mörderisch hungrig war. Welch ein Segen, dass wir sofort an den Tisch genötigt wurden! Eine rotgesichtige Frau von gewaltigem Leibesumfang, die sich aber mit verblüffender Behändigkeit bewegte, führte hier das Regiment.
»Na?«, rief sie. »Ist euer Herr und Meister wieder da? Führt er wieder Zucht und Ordnung ein?« Also hatten die anderen zuvor bereits ohne Ahasver hier Unterschlupf gefunden. Die Frau wandte sich mir zu.
»Und wer ist das, den ihr da angeschleppt bringt?« Ich wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu.
»Du setzt dich da hin!«, herrschte sie mich an und fügte missbilligend hinzu: »Pfui! Nichts als Haut und Knochen!« Damit reichte sie mir eine Schüssel Suppe.
Der Mann, der uns so herausfordernd begrüßt hatte, eine schmächtige, ausgezehrte Figur in einer Art Hemdkittel, gehörte zu dem bunten Völkchen von Herbergsgästen, die den Raum bewohnten, fast alle offenbar fahrende Leute.
»Grüß dich, Polonius«, sagte Ahasver. Der Mann nahm den Platz ihm gegenüber ein und gab sich Mühe, den Alten in kollegialer Weise zu hänseln. Ahasver ließ die Nadelstiche mit stoischer Ruhe über sich ergehen.
»Der ist einmal ein begnadeter Seiltänzer gewesen«, raunte Pietro mir zu, »vorher … Verstehst du?«
Mit einer viel sagenden Geste seiner flachen Hand gegen die Brust wollte er offenbar andeuten, dass eine Lungenerkrankung dieser Laufbahn ein Ende gesetzt habe. Polonius musterte Ahasver mit fiebrigen Augen und meckerte zwischen seinen spielerischen Ausfällen ein spöttisches Lachen, das in qualvolle Hustenanfälle mündete, Krämpfe, die seinen mageren Körper schüttelten.
Kaum jemals sonst habe ich bei Ahasver so viel Gleichmut und Geduld beobachtet.
Schließlich, als wir uns alle gesättigt und gekräftigt fühlten, versammelte der Alte uns in einem Alkoven im hinteren Teil des Erdgeschosses, wo eine ausgetretene Treppe in die oberen Stockwerke hinaufführte. »Wir haben zu reden!«
Alle, die mit unserer Truppe nichts zu tun hatten, wies er hinweg.
Zuerst fasste er mich ins Auge. Er wollte wissen, wo ich gesteckt hatte, seit wir beim Überfall in der Herberge getrennt worden waren, wie ich mich nach Köln durchgeschlagen und wo ich Unterschlupf gefunden hatte. Ich erzählte alles, ohne allzu viele Einzelheiten zu erwähnen. Es war so viel Seltsames an seinem Verhalten, dass ich nicht wusste, woran ich mit ihm war. Vorsichtshalber sagte ich nichts von dem Skorpionanhänger, den ich in der Hand des Ermordeten auf der Straße gesehen hatte, und nichts von dem Pferd, das mir an diesem Morgen im Hof des Hauses mit dem Löwenaufgefallen war; auch über das Geld, das mir mein Vater hatte zukommen lassen, bewahrte ich Schweigen. Ahasver hörte zu, stellte aber keine Fragen, und irgendwie hatte ich das Empfinden, er sei mit seinen Gedanken weit entfernt. Erst als ich schließlich sagte: »Vorhin in der Menge habe ich ihn noch einmal gesehen«, fuhr er auf.
»Du hast wen gesehen?«
»Den Schwarzen Hund, wie sie ihn nennen. Nur ganz kurz.«
Er schien etwas dazu sagen zu wollen, überlegte es sich dann jedoch anders.
Ein paar Atemzüge lang herrschte Schweigen. Dann wandte er sich den anderen zu: »Und was mache ich mit euch?«
»Ich weiß nicht, was Ihr wollt …«, setzte Pietro an.
Ahasver schnitt ihm sofort das Wort ab: »Ich hatte euch jeden Auftritt verboten. Das wusstet ihr ganz genau. Ausdrücklich verboten!«
Er hatte zu Pietro gesprochen, daran gab es
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