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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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auch hier nicht ein, was sicher das Klügste war. Die Stimmung in der Stadt war gespannt. Die Bürger empörten sich über die fürstlichen Gäste und ihre Arroganz. Es war viel Unruhe und Aufbegehren im Volk.
    Bevor wir das Ende des Platzes erreichten, hastete ein schmächtiger Mann an mir vorbei, holte Pietro ein und zupfte ihn am Ärmel. Es war der Zuschauer mit den Augengläsern, auf den mein Freund mich zuvor hingewiesen hatte.
    »Verzeiht bitte«, hörte ich ihn stammeln. »Ich muss Euch etwas fragen …« Und er beugte sich vor, um aufgeregt in Pietros Ohr zu tuscheln.
    Irgendwie tat er mir Leid.
     
     
     

EI M UTTER G LUCK
    »Kommt jetzt, hier entlang …« Das war Ahasvers drängende Stimme. Er wies uns in eine schmale Seitengasse. Der Ärger schien längst von ihm abgefallen zu sein. Aber es war mir nicht entgangen, dass er das Auftauchen des Kaufwilligen mit einem argwöhnischen Blick beobachtet hatte. Wir beeilten uns, seiner Weisung nachzukommen. Er schickte uns unter den niedrigen Vorbau eines düsteren Hauses, der auf hölzernen Pfeilern ruhte, und drängte uns hinter eine Plankenwand, die einen halb offenen Verschlag bildete. Als ich als Letzter dort ankam, musterte er mich kurz und durchdringend, ohne jedoch irgendeinen Gefühlsausdruck erkennen zu lassen. »Ah, du. Du bist also auch wieder da. Beeil dich.«
    Es war finster und eng hinter den Brettern, aber aus diesem Versteck konnte man die Gasse gut überblicken. Worauf wartete Ahasver? Oder auf wen ?
    Während diese Fragen mir durch den Kopf gingen, beobachtete ich jeden Einzelnen. Sambo kauerte unmittelbar neben mir. Er wirkte gespannt, zugleich aber auch verwirrt. Pietro gab Rosanna Zeichen und versuchte sich ihr zu nähern. Sie stieß ihn weg. Ahasver zischte durch die Zähne, um beide zur Ruhe zu bringen. Dann beugte er sich vor und spähte wachsam durch eine Lücke in der Bretterwand auf die Gasse. Er hielt etwas unter seinem Mantel umklammert. Nach seiner Haltung zu urteilen sicher eine Waffe.
    Niemand kam. Jedenfalls keiner, mit dem Ahasver rechnete. Eine alte Frau, eine Gruppe Lastträger mit schweren Säcken, eine Dienstmagd mit einem Korb. Ein paar Kinder, die ausgelassen herumtollten. Ein kleiner Junge entdeckte uns. Er blieb stehen und schien seine Gefährten rufen zu wollen. Aber es muss wohl etwasim Blick des Alten gelegen haben, das ihn davon abhielt. Er gab sich einen Ruck und rannte davon.
    Einige Zeit verstrich. Schließlich hörte ich einen tiefen Atemzug von Ahasver, und er sagte: »Also gut. Lasst uns jetzt gehen.«
    Die ganze Zeit über hatte ich nicht das Gefühl einer Gefahr verspürt. Aber war das von Bedeutung? Ich wusste längst, dass diese Empfindung mich manchmal auch ohne einen erkennbaren Anlass befiel, so als gebe es etwas in mir, das mehr wusste, als mein Verstand erfassen konnte. Manchmal hatten sich diese Vorahnungen bestätigt, oft aber auch nicht. Doch konnte es nicht sein, dass es auch in solchen Fällen einen Grund gegeben hatte, der nur nicht greifbar geworden war?
    Wir machten uns wieder auf den Weg. Ahasver führte uns durch eine enge Gasse, die in schwer überblickbaren Windungen verlief. Hier war es dunkel und kalt. Die hohen Fassaden waren so errichtet, dass sie im oberen Teil nach vorne ausluden; jedes Geschoss sprang weiter vor als das darunter liegende. Am Firstbalken stießen manche der gegenüberstehenden Giebel fast aneinander. Viel Unrat sammelte sich in der Gosse vor den Läden, Werkstätten und Spelunken bis zur Schneeschmelze oder zum nächsten Regenguss. Deshalb lag ein starker, beißender Geruch über allem, der sich noch verstärkte, als wir eine Quergasse erreichten, die breiter angelegt und von einem tiefen Graben durchzogen war. Eine dampfende, missfarbene Brühe wälzte sich darin entlang.
    »Hier sitzen die Gerber«, sagte Pietro und hielt sich die Nase zu. »Maledetta pestilenza!«
    Auch hier war viel Volk unterwegs, Gesichter und Kleidung schienen aber nun von anderem Aussehen. Verhärmt und zerlumpt kamen sie mir vor. Hier und da waren Häuser verfallen. Weite Flächen waren nicht bebaut, im Sommer vielleicht bestellte Äcker und Gärten. Davon gab es überhaupt erstaunlich viele innerhalb der Stadtmauern; jetzt aber, im Winter, war das Ödland, wo mancherorts Feuer glosten, an denen sich ausgezehrte Gestalten wärmten.
    Schneeregen setzte ein. Seit unserer Wegpause im Versteck hielt ich mich ganz dicht an meine Freunde. Mich fröstelte, und ich war froh, in ihrer Nähe zu sein.

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