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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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entstand eine lange Pause, in der mir unbehaglich wurde. Was sollte ich tun? Ihn etwa fragen: Seid Ihr es, der Herrn Arckenberg ermordet hat?
    Irgendwo im Haus pfiff jemand ein Lied.
    Schließlich sagte er: »Du hast begriffen, dass ich über dich Bescheid weiß, nicht wahr?«
    »Ja. gestern. Ihr habt mich Närrin genannt.«
    »Ich weiß es von Anfang an. Der Priester hat es mir gesagt. Alles.«
    »Vater Sebastian.«
    »Ja. Er wollte, dass ich Bescheid weiß. Hat er dir auch gesagt, dass er krank ist?«
    »Das habe ich mir fast gedacht.« Mein Herz wurde schwer. Am liebsten wäre ich jetzt allein gewesen.
    Er nickte. »Du sollst wissen, dass du mir nicht gleichgültig bist«, sagte er. Dabei legte er auf eine seltsam ungelenke Art den Arm um meine Schulter und drückte mich an sich.
    »Danke.« Widerstreitende Empfindungen zerrten an mir, und ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte.
    »Aber du hast doch etwas auf dem Herzen«, sagte er. »Heraus damit! Hab keine Scheu. Es tut mir gut, mit dir zu reden.«
    Sofort war mein Misstrauen geweckt. Was mir wirklich durch den Kopf ging, durfte ich ihm nicht sagen. Das war mir klar. Dass ich nämlich zu wissen glaubte, woher seine Beinwunde stammte. Aber es gab mehr Fragen als nur eine. Sollte ich einen Versuch machen? Mit etwas Unverfänglichem beginnen? Ich gab mir einen Ruck. »Fragen gibt es schon …«
    »Dann frag.«
    »Als wir neulich bei diesem Mann waren, der etwas über seine Zukunft erfahren wollte.« Der Alte schnaubte durch die Nase und blickte aus dem Fenster. »Da habt Ihr etwas erwähnt … von dunklen Männern war die Rede. Und es schien, dass Ihr etwas mit Ihnen zu tun habt. Das geht mir nicht aus dem Kopf.«
    »Das also ist es«, sagte er und wirkte erleichtert. »Ich will es dir sagen. Nein, eben nicht. Ich habe eben nichts mit ihnen zu tun. Die dunklen Männer – das sind Männer, die es gar nicht gibt. Man hat sie erfunden, um der Polemik willen. Das ist eine komplizierte Geschichte. Es gibt einen Mann namens Reuchlin …«
    »Den Namen habe ich schon gehört …«
    » … der tritt dafür ein, die Gedanken und Schriften des Judentums nicht zu verurteilen, sondern sie zu respektieren, ja vielleicht sogar von ihnen zu lernen.«
    »Hat der Klient deshalb gefragt, ob Ihr Jude wärt?«
    »Nein, das war wegen des Namens.«
    »Ihr habt seltsam geantwortet.«
    »Ich bin kein Jude, aber ich sähe keinen großen Unterschied, wenn ich einer wäre. Meinst du das?«
    »So ungefähr habt Ihr Euch ausgedrückt.«
    Er brummte vor sich hin. Dann, mit einer Handbewegung auf sein Bein hin, sagte er: »Ich hab schon mehrmals in meinem Leben so dagelegen. Schlimmer. Viel schlimmer. Einmal, als ich ganz amBoden war, wollte keiner etwas mit mir zu tun haben. Sie gingen an mir vorbei, als wäre ich schon tot. Es war wie in der Geschichte vom barmherzigen Samariter: Nur einer ist stehen geblieben und hat mich aufgehoben. Es war ein Jude. Seitdem macht es mich zornig, wenn schlecht über die Juden geredet wird. Er hat mir geholfen. Ohne Eigennutz. Und seine Freunde auch.«
    »Manchmal frage ich mich, wer Ihr wirklich seid.«
    Er kniff die Augen zusammen und schien zu grübeln, ob jetzt wohl meine wirklichen Fragen zum Vorschein kämen.
    »Dieser Name …«, fügte ich hinzu.
    »Das war, als ich noch eine Schauspielertruppe geführt habe. Vor Jahren. Wir zogen von Stadt zu Stadt, wie es so ist. Ich spielte die Rolle des Königs Ahasver. Viel Beifall! Wir hatten Erfolg. Aber es ist alles zerronnen.«
    »Und dieser Ahasver …«
    »Sie haben mir den Namen angehängt. Zuerst habe ich mich gewehrt. Wütend war ich. Dann habe ich es angenommen, dass mich jeder so nennt. Ich war wirklich berühmt mit dieser Rolle. Zu berühmt! Zur Strafe ist der Name an mir hängen geblieben …«
    »Strafe wofür?«
    »Es ist eine böse Rolle. Ahasver ist ein Tyrann …«
    »Aber gibt es da nicht noch eine andere Geschichte?«
    »Du hast Recht. Ich weiß schon. Von einem Mann, der unbarmherzig war. Als er das Kreuz trug, soll Christus darum gebeten haben, sich am Haus dieses Ahasver anlehnen und für eine kurze Weile ausruhen zu dürfen. Und Ahasver hat es ihm verweigert. Dafür ist er verflucht in alle Ewigkeit.«
    »Das ist ein schrecklicher Mensch …«
    »Vielleicht ein Mann, der Unrecht getan hat und bereuen möchte, dem aber nicht vergeben wird und der auch selber nicht vergeben kann … und der seinen Weg gehen muss, obwohl es nicht gut ist, was er tut.«
    »Aber es war doch

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