Tanz der Dämonen
Wenn es denn sein muss – dort entlang.
Anselmus winkte mir und schnitt eine spöttische Grimasse, freilich so, dass es außer mir keiner sehen konnte. Er führte mich durch einen lichtlosen Gang in einen Raum mit einer niedrigen Balkendecke. Dies schien das Scriptorium zu sein. Hier war die Luft stickig und dennoch kühl, obwohl zahlreiche Kerzen brannten. Ein Schreiber, der wie eine aufgeplusterte Eule aussah, rieb sich die Hände und hauchte seinen Atem auf die klammen Finger. Ein anderer, auf den meine Aufmerksamkeit fiel, war ganz konzentriert damit beschäftigt, eine seltsame Arbeit auszuführen. Bruder Anselmus bemerkte mein Interesse und erklärte mir wispernd, dass der Mann mit einem Schabeisen und einem Bündel Werg auf einem Pergament eine fehlerhafte Schriftpassage tilge. In einem hohen Stuhl saß ein Greis, der mit zittriger Stimme langsam einen Text deklamierte, als läse er aus einem Buch. Dabei waren seine Augen jedoch geschlossen. Mehrere Schüler schrieben eifrig nach seinem Diktat.
»De terra enim creatus es«, hörte ich, »terram calcas, in terram ibis, a terra surges, in igne probaberis.« Ich schauderte, denn diese drohenden Worte kannte ich nur zu gut aus Vater Sebastians Lektionen: »Denn aus Erde bist du geschaffen, auf der Erde wandelst du, in die Erde wirst du gehen, von der Erde wirst du dich erheben, im Feuer wirst du geprüft werden.«
»Hier lang«, flüsterte Anselmus und drückte eine dunkle, schwer bewegliche Tür auf, die in eine Kammer von kleineren Abmessungen führte. Hier endlich fanden wir den Gesuchten. In diesemGelass war es wärmer. Im Hintergrund gloste ein Kaminfeuer. Aber stickige Luft bedrückte mich auch hier. Ich gewahrte zahlreiche Bücher, die recht lieblos und teils auf wahrhaft bedenkliche Weise turmhoch übereinander geschichtet waren, so nämlich, dass der gesamte Aufbau aussah, als werde er demnächst zusammenstürzen. Mittendrin saß ein Mann in mönchischer Kutte und beugte sich mit einem Vergrößerungsglas über einen sperrigen Folianten. Pater Nabor, wie Anselmus mir bedeutete. Statt einer Begrüßung streckte er uns die linke Hand entgegen, um uns abzuweisen: Wir sollten ihn wohl nicht unterbrechen, ehe der Passus, dem gerade all seine Aufmerksamkeit galt, beendet wäre. Diese Hand hatte etwas krallenhaft Gespanntes und bewegte sich mit gespreizten Fingern langsam hin und her, damit wir nur ja nicht wagten, den Gelehrten in seiner Konzentration zu stören. Wir warteten einige Zeit. Dann klappte der Ordensmann das Buch zu, und mit einem krampfhaften Seufzen hob er den Kopf. Er hatte ein scharf geschnittenes, faltiges Gesicht, und das Beherrschende darin waren die stechenden schwarzen Augen unter buschigen, ebenfalls schwarzen Brauen.
»Was wollt ihr?«, fragte er scharf. »Seht ihr nicht, dass ich beschäftigt bin!« Das klang wie ein Vorwurf. Sein Schädel war völlig kahl und mit jenen bräunlichen Sprenkeln übersät, wie man sie oft auf der Haut älterer Menschen sieht. Anselmus krümmte den Buckel und begann in einem seltsam weinerlichen Tonfall zu reden. Ich hatte schon einen Begriff von seiner ungewöhnlichen Art bekommen, aber wie er sich nun betrug, das verblüffte mich dennoch.
»Clementissime pater«, begann er. Gehörte diese Formel denn nicht zum Kanon der Messe und war als Anrede Gottes gemeint? Sie schien mir in diesem Zusammenhang fehl am Platze, ja beinahe lästerlich … Aber schon fuhr er fort: »Wollet mir nicht zürnen! Ein unwürdiger Diener, gedankenlos, wie es seine Art ist, hat nichts Böses mit seinem Eindringen im Sinn. Seid gnädig, ich bitte Euch, und haltet zugute, dass nicht in Absicht stand, Euch in Eurem erlauchten Studium zu disturbare …« Warum sagte er nicht einfach»stören«? »Nicht etwa der Leibhaftige, so schwört Euer Knecht, hat es eingegeben, nein, ganz gewiss nicht, Gott in seiner heiligen Gnade schütze uns vor den Machinationen des Bösen und gebe dem Teufel, was er verdient …«
»Du führst den Teufel allzu leicht im Munde«, unterbrach ihn der Geistliche. Darin hatte er wohl Recht, aber warum klang seine Stimme so nachdrücklich drohend?
Bruder Anselmus verzog keine Miene, sondern fuhr in seinem Singsang fort: »… aber da ist diese Sache – ein junger Mensch, der Knabe hier, unwürdig selbstverständlich auch er, bedarf mit verzweifeltem Herzen des Rates, vielleicht der Hilfe oder der Weisung durch einen väterlich sorgenden Geist …«
Warum betonte er so seltsam das Wort »väterlich«? Ein
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