Tanz der Dämonen
und was dann schließlich den Pelagius angeht …«
Mit einem Ruck schlug er das Buch zu, über das er sich gerade wieder hatte hermachen wollen, und sagte in scharfer Betonung: »Du beherrschst recht mühelos das Latein, wie ich sehe, aber es kommt vor, dass Leute allzu klug sein wollen, verstehst du mich?«
»Ich stelle nur Fragen, und bedauernswerterweise bin ich neugierig auf die Antworten.« Der Triumph in meiner Stimme war nicht ganz zu unterdrücken. Ich hatte ihn ins Wanken gebracht!
»Vorsicht ist geboten, wenn man gewisse Fragen stellt. Es gibtTore, hinter denen lauern gräuliche Bestien. Wehe dem, der sie öffnet! Denk an den Greifen …« Jetzt war er es, der ein Wort mit einer Betonung aussprach, die mir das Gefühl gab, er wolle etwas ganz Bestimmtes damit andeuten und dabei beobachten, wie ich reagierte. »Der Greif ist ein furchtbares Ungeheuer, halb Löwe, halb Adler, Herr der verborgenen Schätze und Wächter der Gräber, ein Wesen mit gewaltigen Schwingen, die den Unvorsichtigen rasch ereilen, und mit blutigen Klauen …«
Die verschlüsselte Rede schien ihm Spaß zu bereiten. Er ging nicht gerne den geraden Weg. Aber sie gab unserem Gespräch einen bösen, ja heimtückischen Charakter. Es glich einem Duell zwischen Gegnern, die ihre Waffen nicht offen zeigen. Gleichwohl hatte ich plötzlich das Empfinden, es gehe um Leben und Tod. Ob er wohl glaubte, mir Angst einjagen zu können? Dann konnte ich ihm in gleicher Manier antworten. Die Bücher über alle Arten von Ungeheuern hatten immer große Faszination auf mich ausgeübt. Ich hatte ihre Abbildungen mit wohligem Schaudern betrachtet, ihre Namen auswendig gelernt und ihre Eigenschaften studiert.
»Das ist nichts«, sagte ich. »Nichts gegen den Mantichoras, den mächtigen roten Löwen, der das Gesicht eines Menschen hat, aber mit drei Reihen schrecklicher Zähne, und man sagt, wie Ihr wohl wissen werdet, er habe einen Schwanz wie ein Skorpion, aus dem kann er giftige Stachel in alle Richtungen verschießen wie Pfeile.«
Seine Augen blitzten bei der neuerlichen Erwähnung jenes Tieres, und er fiel mir ins Wort: »Ja, Skorpion! Und sein Atem ist wie ein Pesthauch, mit dem er die Menschen, die töricht oder unbedacht sind und die ihm zu nahe kommen, unfehlbar in den Wahnsinn treibt, ja, ja, ich weiß es wohl. Aber weißt auch du, was das alles bedeutet?«
Ich ließ mich hinreißen. »So gut wie Ihr. Mit diesem Wortgerassel könnt Ihr mich nicht erschüttern!« Hoffentlich erriet er nicht, dass ich in Wahrheit nicht mehr weiter wusste und mein Herz sich wie ein Eisklumpen anfühlte.
»Du bist kein Kind wie andere.«
»Ich bin überhaupt kein Kind mehr. Manche Erfahrungen lassen einen Menschen altern vor seiner Zeit.«
»Das ändert nichts daran, dass du von Torheit verblendet bist und Kräfte heraufbeschwörst, die dich zermalmen werden.«
»Man hat gesehen, wie Schwerter den getroffen haben, der sie zu führen gedachte.«
»Eben das solltest du dir merken.«
»Aber manchmal«, sagte ich in aufwallendem Jähzorn, »manchmal sind Karten im Spiel, von denen auch ein geübter Spieler keine Ahnung hat.«
»Du sprichst in Rätseln.«
»Ich versuche es Euch gleichzutun.« Ach, jetzt war ich wieder in der Defensive und wäre am liebsten davongelaufen.
»Du verbrennst dir die Finger.«
Ich nahm Zuflucht in einem vagen Versuch: »Nur wird vielleicht nach mir ein anderer fragen, einer, der mächtiger ist, wenn ich keine Antwort erhalte …«
Das hatte eine gewisse Wirkung. Er schien nachzudenken. »Sag, was du wirklich willst!«
»Im Augenblick möchte ich vor allem anderen wissen, was Herr Arndt gemeint hat, als er Euch geschrieben hat.«
Jetzt war er wirklich überrascht.
»Der Brief ist in meine Hand gelangt«, fuhr ich fort.
»Du hast einen Brief?«
»Nicht bei mir«, log ich.
»Was für einen Brief?«
»Er nennt Euch darin seinen Freund und schreibt, Ihr müsstet ihm helfen, und er drückt Sorge aus, was wohl alles herauskommen könne – über ein gewisses Thema, das ihm und Euch sehr vertraut sein dürfte. Dabei hatte ich auch ihm nur ein paar harmlose Fragen gestellt.«
»Was für Fragen hast du ihm gestellt?«
Unausgesprochen hatte er jetzt zugegeben, dass er den Kaufmann kannte.
»Zunächst die wichtigste, derentwegen ich in diese Stadt gekommen bin: die Frage nach meinem Vater. Herr Arndt hat es vorgezogen, in den Tod mitzunehmen, was immer er wusste. Und dann sprach ich zu ihm über Skorpione – wie zu Euch und
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