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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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muss wohl etwas bekümmert auf ihn gewirkt haben.
    »Nur Mut!«, sagte er, und ein Lächeln huschte über seine unschönen Züge. »Der Teufel lässt die seinen nicht im Stich.« Mein betretenes Gesicht vergnügte ihn offensichtlich. Bestimmt hatte er das nur gesagt, um mich zu erschrecken. Er führte den Namen des Leibhaftigen ziemlich oft im Munde. Ich zögerte einige Zeit, ehe ich wieder das Wort an ihn richtete. »Dieser Pater Nabor ist – ein bedeutender Mann?«
    »Ach ja. Mancher im Klerus hält sich für bedeutend. Kennst du die Geschichte vom Mönchlein, das Abt geworden ist? Ein alter Freund spricht ihn an und sagt: ›Seltsam, früher hat man Euch immer mit demütig gesenktem Kopfe gesehen, heute hingegen tragt ihr ihn nur hoch erhoben.‹ Als Antwort erhielt er: ›Das sollte Euch nicht wundern. Früher suchte ich die Schlüssel zum Kloster, jetzt habe ich sie gefunden.‹«
    »Eine nette Geschichte. Ist Pater Nabor so einer?«
    »Das musst du selber sehen.«
    Wir schwiegen eine Weile, und ich fand Gelegenheit, unauffällig auf das Täfelchen zu blicken, das Zunge mir zugesteckt hatte. Mit Kreide war darauf in kindlich einfachen Strichen etwas gezeichnet:eine große Katze und eine winzige Maus; die Katze hatte ein Kreuz auf dem Bauch und Hörner auf dem Kopf. Ob das auf diesen Priester ging? Und wer war die Maus? Etwa ich?
    Von einem Augenblick zum andern wurde ich aus meinen Gedanken geschreckt.
    »Pass auf!«, rief Anselmus, und wirre Rufe erschallten hinter uns. Ein Trupp Reiter sprengte die Gasse entlang. Wohl Soldaten, die dem Reisetross der Majestäten nacheilten. Der Boden zitterte unter den Hufen der schweren Rosse, das Eisen der Waffen und Harnische klirrte, rote Wimpel flatterten über den Helmen. Viele Menschen flüchteten vor dieser donnernden Kavalkade. Bruder Anselmus und ich eilten zur nächsten Hauswand, wo wir uns fest gegen den Putz pressten. Heißer Atem und Pferdegeruch. Eissplitter und Erdbrocken wirbelten durch die Luft. Dann waren sie vorüber.
    »Den Hals sollt ihr euch brechen«, grollte Anselmus.
     
     
     

M K LOSTER
    Da lag an einer der größeren Straßen, die vom Dom wegführten, ein eindrucksvoller Klosterkomplex mit einer lang gestreckten Kirche ohne Turm. Wir gelangten durch einen Torbau in einen geräumigen Hof und blieben an einer Pforte stehen, die im Schatten des Chorbaus lag. Bruder Anselmus klopfte nicht an, sondern öffnete, ohne zu zögern. Ich zögerte. Ein feines Glöckchen bimmelte irgendwo. Ein kläglicher Ton, der mich unheimlich berührte, ohne dass ich hätte sagen können, warum.
    »Zier dich nicht«, schnarrte mein Führer. »Tu, als ob nichts wäre. Du solltest keinen auf den Gedanken bringen, dass du hier womöglich nichts zu suchen hast.« Noch eine Bemerkung, die dazu führte, dass ich mich unbehaglich fühlte. Aber ich hatte beschlossen, diesen Weg zu gehen, und ich würde es tun! Ein Türhüter saß im Halbdunkel und beäugte uns prüfend. Anselmus nickte freundlich. Man schien ihn zu kennen, wenn man ihn auch etwas herablassend behandelte. Er gab sich vertraulich und sprach leise mit dem Pförtner.
    Wir betraten ein ausgedehntes Gebäude: Gänge, Zellen, Säle, ein großer Hof. Wieder Türen und Stufen. Wir gelangten in die Bibliothek, einen düsteren Raum mit schweren Holzregalen voller Bücher, darunter winzige Bändchen und ehrfurchtgebietende Folianten. Mit einer solchen Fülle war die Sammlung von Vater Sebastian nicht im Entferntesten zu vergleichen. Allerdings hatte in dessen Bibliothek auch nicht ein derartig muffiger Gestank geherrscht.
    An schrägen Pulten saßen Mönche und wohl auch einzelne Studiengäste, die durch die Universität hergekommen sein mochten. Manche waren in Texte vertieft, andere schienen Exzerpte oder Notizen zu machen. Einige Köpfe hoben sich bei unserem Eintritt, und ich war mir bewusst, dass uns abweisende, teils sogarmisstrauische Blicke folgten. Ein bärtiger Greis, der die Aufsicht führte, fixierte uns durch trübe Augengläser und schnaufte missbilligend.
    »Was gibt es denn?«, fragte er mit einer unvermutet leisen Stimme, die im Tonfall deutlich zurechtweisend war. Bruder Anselmus beugte sich zu ihm hinab und tuschelte etwas in das Ohr des Alten, das mit weißen Haarbüscheln bewachsen war, als hätte es Raureif angesetzt. Der Greis presste die Lippen zusammen und zog eine Leidensmiene, deutete dann aber mit allem Ausdruck des Unwillens schroff, ja wegwerfend über seine Schulter, als wolle er damit sagen:

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