Tanz der Dämonen
schließlich über einen Mann namens Ahasver. Aber den kennt Ihr wohl auch nicht?«
»Arndt ist tot?«
Ob er wirklich nichts davon wusste?
»Er ist ermordet worden.«
Sein Gesicht wirkte plötzlich grau.
»Ich werde mit dir reden«, sagte er leise. »Aber nicht jetzt. Komm morgen wieder.
Du sollst deine Antwort haben, aber es wird vielleicht keine Antwort sein, die dir Freude macht. Warte ab! Morgen nach der Messe. Morgen ist Sonntag. Ja, komm nach der Messe … Und bring diesen Brief mit, hörst du?«
Er sah mir nicht ins Gesicht, während er das sagte. Danach schwieg er für eine Weile wie erstarrt, bis sich seine Miene plötzlich wieder belebte. Sein Blick fiel auf Bruder Anselmus. Da war gleich wieder die vorherige Schärfe in seiner Stimme: »Und du da, missgestaltete Kreatur, Erznarr und Verräter, du hättest besser wissen sollen, was du mir zumuten darfst und was nicht!«
»Lasst es mich nicht entgelten, Hochwürden«, winselte der Angesprochene, »auch wenn dieser Bengel sich erdreistet hat.«
»Es geht um dich , du Schwachkopf, du wirst zertreten sein wie ein Wurm, wenn ich mit dir fertig bin. Oh, deine verfluchte Gier! Hat man dich gut bezahlt? Das Geld, das du für diesen Streich erhalten hast, wird dich noch bitter gereuen!«
»Seid nicht so streng mit Eurem nichtswürdigen Diener«, wimmerte Bruder Anselmus und wand sich wie eine Schlange. Dann plötzlich wechselten Miene und Gestik, und etwas Verschlagenes trat in sein Gesicht. »Es könnte sonst womöglich sein, dass diese niedrige Kreatur, als die Ihr mich vor Euch seht, dass sie sich entsinnt … Sie könnte sich entsinnen, dass sie Dinge weiß da oben inihrem Kopf … oh, Dinge, die Euch nicht recht wären, wenn ich mich deren entsinnen würde …«
»Dinge?«
»Ihr wisst, Hochwürden, was ich meine.«
»Willst du mir drohen, du Ratte?«
Der Blick der schwarzen Augen ließ sein Opfer regelrecht schrumpfen, wie es angeblich dem Menschen im Angesicht eines Basilisken geschieht.
»Geht jetzt ganz rasch«, sagte der Priester, »aus meinen Augen! Und du da, du kommst morgen wieder, wie ich gesagt habe, aber allein! Verstanden?«
Bruder Anselmus packte mich mit einer Kraft, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte, am Arm und zog mich mit sich davon. Wir eilten durch das Scriptorium und den Büchersaal, verfolgt von den letzten Worten Pater Nabors, die er mit vor Wut zischender Stimme hervorgestoßen hatte: »Und von Rechts wegen sollte euch alle beide der Teufel holen!« Schneller, als ich für möglich gehalten hätte, waren wir wieder auf der Straße.
»Ein herrischer Geist für einen Mann Gottes«, sagte ich schwer atmend.
Bruder Anselmus grinste tückisch. »Man muss nur wissen, wie man ihn zu nehmen hat.«
»Und Ihr meint, das sei Euch gelungen? Ihr solltet vor ihm auf der Hut sein!«
»Pah! Er soll ruhig glauben, er hätte die Oberhand!« Seine Rechte schoss vor. »Meine Silberstücke!«, verlangte er.
Ich gab sie ihm.
EUE F EINDE
Ein eisiger Regen peitschte die Dächer, und ich floh unter das Gewölbe eines Torbogens. Dort, am Weg zu unserer Bleibe, inmitten einer bunt gemischten Menge, die gleich mir Schutz suchend von der Straße hereindrängte, erwartete mich eine Überraschung: Ich gewahrte jenen bedrohlichen Mann aus der Herberge, Gilbert, wie er angeblich hieß, Ohrring, wie ich ihn nannte. Er hatte mich sicher nicht bemerkt, und so blieb ich vorsichtig im Hintergrund.
Hier bot sich mir eine Gelegenheit! Schon war es beschlossene Sache: Ich würde ihm folgen. Vielleicht konnte ich auf diese Art erfahren, zu wem er gehörte und was er mit den Geschehnissen der letzten Tage zu tun hatte. Es mochte sogar sein, dass er sich mit meinem Vater traf! Offen gesagt kam mir nicht in den Sinn, dass es gefährlich sein könnte, ihm nachzugehen, und es schreckte mich nicht ab, dass ich vielleicht auf etwas stoßen würde, das mir wenig gefiel. Mehr als alles andere wollte ich Klarheit finden in diesem Gewirr von rätselhaften und schrecklichen Dingen. So etwas wie Jagdleidenschaft war in mir erwacht. Ich wollte die Wahrheit aufdecken, koste es, was es wolle. Zugleich war etwas alptraumhaft Unwirkliches in allem, was geschah. Meine Überlegungen gelangten stets an denselben Punkt. Zu oft schon hatte ich nichts erreicht. Ich bewegte mich im Kreise! Lag es an dieser Stadt, deren verschlungene Gassen mich wie ein finsteres Labyrinth umfingen? Oder bildete ich mir alles nur ein? Waren etwa meine Träume in die Wirklichkeit
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