Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
Vom Netzwerk:
banger Gedanke schlich sich in meinen Kopf. Konnte es etwa sein, dass dieser Mann mein Vater war? Und dass dieser krumme Speichellecker darüber Bescheid wusste? Kalter Schweiß brach mir aus. An diese Möglichkeit hatte ich gar nicht gedacht!
    Die Augen des Paters musterten mich widerwillig. Wie peinigend! Kein Quäntchen Wohlwollen lag in diesem Blick. Und als der Mund sich öffnete, kamen die Worte scharf und durchtrennten ohne Rücksicht den ziellos närrischen Redefluss des anderen: »Du musst in der Tat wahnsinnig sein, mir einen solchen Bengel von der Straße anzuschleppen.«
    »Wahnsinn«, skandierte Anselmus, als habe er ein neues Stichwort aufzugreifen, »Wahnsinn, so weiß man, ist eine Spinne, die sich im Hirn des Menschen eingenistet hat …«
    Der Pater schnitt ihm das Wort mit einer Handbewegung ab und wandte sich an mich: »Den Schwätzer kann ich nicht ertragen. Also heraus damit: Was willst du? Aber kurz gefälligst!«
    Ich musste schlucken, aber dann brachte ich heraus: »Es ist wahr, Herr. Ich brauche tatsächlich Hilfe. Ich heiße Kat van der Weyden …«
    »Kat?«
    »Eigentlich Kastorius«, erklärte ich schnell, vielleicht etwas zuschnell. Womöglich erkannte sein bohrender Blick, dass ich Grund hatte, mir diese Lüge vorsichtshalber zurechtzulegen.
    »Nicht Kastor?«
    »Nein, Herr, Kastorius, das ist ein anderer, ein Märtyrer unter Kaiser Diocletianus …«
    Er nickte missvergnügt, und ich beeilte mich fortzufahren: »Man hat mir Euren Namen genannt – wenn es so ist, dass Ihr Pater Nabor seid. Und dann hat Bruder Anselmus hier …«
    »Er ist kein Mönch. Er hatte nicht das Zeug dazu! Aber mein Name ist Nabor. Das entspricht der Wahrheit. Wer hat ihn dir genannt?«
    »Herr Arndt, der Kaufmann.«
    Er zeigte keine Regung. Kann ein Mensch sich so verstellen? Ich fügte vorsichtig hinzu: »Er nannte Euch seinen Freund.«
    »Ich kenne so einen Mann nicht. Du musst das missverstanden haben.«
    Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Er log! Ich schluckte, aber ich fuhr fort: »Herr Arndt war der Meinung, Ihr könntet mir bei der Suche nach meinem Vater helfen.«
    »Ich sage dir doch, ich kenne diesen Mann nicht. Und was ist mit deinem Vater? Wie heißt er?«
    »Verzeiht: Das weiß ich nicht.«
    Er zuckte ungeduldig mit den Schultern.
    Jetzt hatte er mich matt gesetzt. Was nun? Das Nächste würde sein, dass er mich einfach hinauswies. Deshalb beschloss ich, mich weiter vorzuwagen. Ein direkter Angriff hatte wohl wenig Aussicht. Aber wie wäre es mit einer List? Bei Herrn Arndt hatte ich so durchaus etwas erreicht!
    »Nomen est omen«, sagte ich. »Ihr kennt meinen Namenspatron. Da werdet Ihr Euch bestimmt erinnern, was man über ihn berichtet: Er wurde mit stachelbesetzten Geißeln gemartert. Gewiss ist Euch auch vertraut, wie man diese bei den alten Römern genannt hat – « Ich sprach das folgende Wort mit bedeutungsschwerem Nachdruck: »Skorpion.«
    Bei diesem Wort verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen. Ich sah es genau. Also doch!, dachte ich. Aber er hatte seinen Fehler im selben Augenblick erkannt und entschied sich, mich mit Schroffheit abzufertigen.
    »Ich weiß nicht, was mich das angeht«, sagte er. »Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich mit Narren abzugeben, deren Gerede weder Sinn noch Verstand hat. Ich widme mich dem Studium unsterblicher Weisheit. Du störst meine Kreise …«
    Er schlug mit der flachen Hand auf seine Bücher, aus denen eine dünne Staubwolke entwich, und hatte ein »Mach, dass du hinauskommst!« schon auf den Lippen. Jetzt war ich so gut wie gescheitert. Wenn überhaupt noch etwas helfen würde, diesen Mann aus der Reserve zu locken, dann konnte es nur Unerschrockenheit sein. Deshalb fasste ich mir ein Herz und ging auf eine Art, die er wohl nicht erwartete, zum Angriff über. Ich nahm sein Stichwort auf und bezog mich ebenfalls auf diese Bücher, die ich möglichst unauffällig gemustert hatte und deren Titel mir durchaus etwas sagten. Vater Sebastian hatte einige von ihnen erwähnt, weil ich ihn immer und immer wieder mit einer Flut von Fragen bedrängt hatte, Fragen, die sich auf alles erstreckt hatten, das ich mir nur vorstellen konnte …
    »Zweifellos ein Studium schwieriger Dinge«, sagte ich und fügte hinzu – so leichthin, wie ich es vermochte, und ohne ihn direkt anzusehen – : »Und nicht ungefährliche Dinge noch dazu! Der Macrobius mag ja noch hingehen, aber den Petrus von Abano würde mancher wohl schon recht bedenklich finden,

Weitere Kostenlose Bücher