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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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dachte ich. Mittlerweile hältst du jeden beliebigen Kerl für deinen Vater! Und mit einem Spott, der schon wieder etwas neuen Mut erkennen ließ, fügte ich hinzu: Als ob du nicht längst wüsstest, dass es niemand anders ist als der Kaiser! Er hat erfahren, dass du ein schmutziges Straßenkind bist, und einen Schreck gekriegt. Kann man ihm verdenken, dass er nun nichts mehr mit dir zu tun haben will?
    Während ich mich auf diese lächerliche Art mit meiner Misere auseinander setzte, hatte ich unbewusst schon die Richtung zum Haus von Herrn Lennart eingeschlagen. Wie sehr hatte ich gehofft, sein Haus und ihn selbst niemals wiederzusehen! Das war nun alles anders: Ich konnte es nicht vermeiden. Allmählich wurde mein Schritt wieder entschlossener, und als ich vor seiner Tür stand, glaubte ich auch zu wissen, was ich ihm zu sagen hatte.Den Versuch war es wert! Entschlossen griff ich nach dem Türklopfer.
    Eine hübsche Magd mit spitzer Nase und argwöhnischen Augen öffnete.
    »Ich bin der Gehilfe des alten Ahasver. Euer Herr wird sich gewiss an mich erinnern!«
    Tatsächlich ließ mich Herr Lennart kurz darauf zu sich führen. Er saß in jenem Zimmer, das ich damals nur flüchtig wahrgenommen hatte. Die Werke römischer Kunstfertigkeit blickten von allen Seiten auf mich herab: aus Stein gemeißelte Figuren, Köpfe, nackte Gestalten; ein Stier, dem ein Mann die Kehle durchschnitt; Inschriften, ganz oder bruchstückhaft erhalten, mit kompliziert abgekürzten lateinischen Texten, die ich nur teilweise übersetzen konnte, obwohl ich durch Vater Sebastian manches von dieser Sprache gelernt hatte; Tonscherben von Geschirr und Scherben von flachen Ziegeln, manche mit seltsamen Stempeln und Zeichen darauf; ein Kandelaber aus Bronze; eine gläserne Urne; eine grinsende Maske. Es blieb mir Zeit, mich umzuschauen, denn nachdem ich zaghaft meinen Gruß entboten und Herr Lennart mir zugenickt hatte, setzte er eine Zeit lang seine Beschäftigung fort. Er befreite eine kleine rote Tonlampe mit einem Pinsel sorgfältig von Schmutz. Sein Gesicht wirkte entspannt, ja hingebungsvoll.
    Ich komme ungelegen, dachte ich. Wie konnte es anders sein! Wenn er hört, was ich will, wird er mich hinauswerfen. Es ist ein Wunder, dass er mich überhaupt empfangen hat.
    Herr Lennart hielt inne und blickte mich an, zögernd. Vielleicht hatte er nur Zeit gewinnen wollen, weil auch er überlegte, was er sagen sollte?
    »Schickt dich dein Meister?«, fragte er.
    »Ahasver? Nein. Ich habe mich von ihm getrennt.«
    »Was willst du also?«
    Das war der Augenblick, auf den ich mich vorbereitet hatte.
    »Ich habe lange nachgedacht, Herr, und es schien mir, ich sei Euch eine Erklärung schuldig.«
    Er räusperte sich. »Du hast mich tatsächlich in große Sorge versetzt.«
    Genau darauf hatte ich gebaut.
    »Das meine ich, Herr. Und deshalb bin ich gekommen.«
    »Nun ja, du hast Dinge gesagt, die …«
    »Ihr habt sie auf Euch bezogen, nicht wahr.«
    »Solle ich das nicht?« Es schien mir, dass er aufatmete. Gut so.
    »Es hatte nichts mit Euch zu tun.«
    »Setzt dich da hin und rede. Du warst damals sehr erschrocken …«
    »Ihr meint – was ich sah?«
    »Ja. Was war es denn? Was hast du gesehen?« Sein plötzlicher Eifer verriet nur zu deutlich, dass er wohl schon die ganze Zeit insgeheim darauf gewartet hatte, diese Frage stellen zu können. Ich ließ mich in den Sessel fallen, den er mir angeboten hatte, und stöhnte leise, eine Finte, die nur zum Teil aus Berechnung entstand. Einerseits wollte ich Zeit gewinnen, um noch einmal nachdenken zu können. Andererseits war die Erinnerung tatsächlich wirr und schmerzvoll für mich. Vor allem aber konnte es ihm nicht schaden, noch ein wenig im Ungewissen zu bleiben. Mir war klar: Wenn dies die Kette war, die ihn an mich band, so musste ich sie für mich nutzen. Seine Unruhe wuchs.
    »Feuer«, sagte er. »Du hast von Feuer gesprochen …«
    »Ich weiß nicht mehr. Habe ich damals nicht das Bewusstsein verloren? Alles ist so verworren …«
    Er atmete mühsam, und seine Augen weiteten sich. Plötzlich erschien er mir wie ein Kind. Wie wichtig er diese Auskünfte nahm! Er war zweifellos ein Mann von Entschiedenheit und Verstand. Aber zugleich so abergläubisch wie ein kleines Kind.
    »Es war … Ja, mag sein, dass es das Höllenfeuer gewesen ist. Aber nein, nein, ich weiß es jetzt! Das wart nicht Ihr, den ich in den Flammen sah … Habt Ihr einen Feind?«
    »Wer hat keine Feinde?«
    »Einen Rivalen?«
    »Mag sein

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