Tanz der Engel
Gesicht sehen zu können, wäre mehr als peinlich.
»Ist Geschichte! Sie verbrannte vor meinen Augen«, zischte Christopher.
»Hoffentlich hat Lynn faszinierendere Erfahrungen als du.«
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht!«
Es fiel mir schwer, nicht doch aufzuspringen. Auch wenn es da nicht viel zu erzählen gab, das ging Aron nun wirklich nichts an!
»Ich konnte Lynns Seele fühlen – und ihre erwachende Macht. Sie griff nach meiner und … und ich …«, Christopher brach ab.
»Und du hast sie ihr genommen – so wie es deiner Aufgabe entspricht«, vollendete Aron.
»Nein! Das würde ich niemals tun!« Christopher klang wütend. Seine Schritte wurden wieder lauter. »Sie hat sie mir gegeben – einfach so!«
»Dann, mein Freund, solltest du dir überlegen, ob du in Zukunft nicht lieber im Zölibat leben willst. Du hast sie in kürzester Zeit so weit gebracht, dass sie ihre Schattenseite kontrollierenkann. Wenn du ihr jetzt ihre Energie raubst, kann sie nicht lernen, Stärke daraus zu schöpfen, und wird niemals ein Engel werden!« Aron seufzte, als er fortfuhr. »Es wäre für sie das Beste, wenn du gehst.«
»Nein!« Unser Veto kam gleichzeitig.
Aron fasste sich schneller als Christopher. »Wie lange lauschst du schon?«, fragte er.
»Lange genug!« Mein wütender Blick traf Christopher.
Ausgezehrt und blasser, als ich ihn kannte, stand er bei der Tür am anderen Ende meines Zimmers. Dass ich etwas über sein bisheriges Liebesleben mitbekommen hatte, passte ihm offenbar gar nicht – damit waren wir wohl quitt! Mir gefiel nämlich nicht, dass er mir die Geschichte mit dem Mädchen ein klein wenig anders erzählt hatte.
Aron bemerkte die Spannung, die sich zwischen uns aufbaute. Sein Grinsen verriet, was er davon hielt.
»Eine Viertelstunde habt ihr Zeit. Danach vertragt ihr euch, so dass ich mit euch beiden weiterarbeiten kann, oder einer von euch muss gehen.« Wer das sein sollte, war klar.
Christopher blieb unschlüssig an der Tür stehen, also übernahm ich die Initiative und schlug die Bettdecke zurück.
»Bleib liegen, du bist noch zu schwach zum Aufstehen«, warnte mich Christopher.
»Das kann ich wohl besser beurteilen als du!« Ich hasste es, bevormundet zu werden!
Auch Christopher schaltete auf stur und kam mir nicht entgegen. Erst als ich vor ihm stand, zeigte sich eine Regung auf seinem Gesicht. Sein Ärger wich Sehnsucht. Keine Sekunde später hing mein Mund an seinem. Ich hatte ihn so sehr vermisst, abwarten ging nicht mehr.
Es traf mich wie ein Blitz. Meine Beine knickten ein. Wenn Christopher mich nicht in den blauen Sessel gedrückt hätte, wäre ich erneut ohnmächtig geworden.
Wir waren beide außer Atem und ebenso schockiert. Dass ich schwach wurde, wenn Christopher mich in seiner Engelsgestalt küsste, war ja noch zu verstehen. Aber so? In Menschenformat? Bislang hatten wir keine Probleme beim Küssen gehabt.
Ich rappelte mich auf. So schnell gab ich mich nicht geschlagen. Vorsichtig näherte ich mich dem Objekt meiner Begierde.
Christopher hielt still. Die Gefahr ging von ihm aus – das wussten wir beide. Ihn zu berühren fühlte sich richtig an – auch wenn meine Finger bislang nur seine stoffbedeckten Schultern streiften. Seine Haut zu spüren, ohne umzukippen, würde ich hoffentlich hinbekommen. Mutiger forschte ich weiter. Schob meine Finger unter sein T-Shirt, ließ sie über seinen festen Bauch wandern bis hoch zu seiner muskulösen Brust und wieder zurück. Christophers Wärme hüllte mich ein. Vertraute Gefühle erwachten. Christopher würde mir niemals Schaden zufügen. Bei ihm war ich in Sicherheit.
Seine Hände legten sich um mein Gesicht. Unsere Blicke trafen sich. So viele Gefühle zu lesen überforderte mich beinahe. Er liebte mich, gleichzeitig hatte er Angst, mir weh zu tun. Er wollte mehr, als mich nur berühren, fürchtete aber, dass das unmöglich war.
Doch ehe ich zurücksteckte, wollte ich Gewissheit. Meine Hände umschlangen seinen Nacken. Langsam zog ich seinen Kopf zu mir. Kurz bevor unsere Lippen sich trafen, zog Christopher die Notbremse.
» Das ist keine gute Idee!«
»Nur weil mir ein wenig schwummrig wird, wenn du mich küsst?«, fragte ich mit einem provozierenden Unterton.
»Damit könnte ich mich abfinden. Aber ich nehme mehr von dir in Besitz als deinen Mund, wenn du mir zu nahe kommst.«
Ich schlug Christophers Warnung in den Wind, doch schon als unser Atem sich mischte, knickte ich ein. Dieses Mal stießChristopher mich
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