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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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mit sanften Fingern über meine Haare.
    »Das weiß ich«, antwortete ich leise und verlor mich im flüssigen Smaragdgrün seiner Augen.
    »Offenbar bin ich hier wohl überflüssig«, meldete sich Aron zu Wort, bevor er sich zurückzog. »Turtelt nicht zu lange, sonst kommt ihr zu spät.«
    Der Weg nach Hause war sorgfältig geplant, damit ich niemandem begegnete. Durch den Keller verließen wir kurz nach Mitternacht das Schloss der Engel – Coelestin hatte die große Harfe zu einem Portal umgewandelt, da Christopher den alten Zugang, den venezianischen Spiegel, zerstört hatte.
    Mit einem schwarzen BMW fuhr Christopher mich zu einemkleinen Flughafen im Nirgendwo. Dass er das Sportflugzeug selbst fliegen wollte, machte mich nervös. Erst als er mir versicherte, einen Pilotenschein für die Maschine zu besitzen, entspannte ich mich ein wenig. Fliegen war ja nicht gleich fliegen, auch wenn es in der Natur eines Engels lag, durch die Lüfte zu segeln – sonderbar, dass Aron mir noch kein Flugtraining aufgebrummt hatte.
    Wir landeten nicht weit entfernt von Coelestins Eremitage, noch ehe die Sonne aufging.
    »Du siehst müde genug aus, um den Eindruck zu erwecken, dass du einen Atlantikflug hinter dir hast«, kommentierte Christopher mein Gähnen, während er mir beim Aussteigen half. Seine Finger zeichneten die dunklen Schatten unter meinen Augen nach. Sein Mund folgte dem Impuls, sie wegzuküssen, bis sein Verstand ihn warnte und er zurückzuckte.
    Obwohl ich wusste, warum er das tat, überfiel mich das Gefühl, er würde mich zurückweisen. Ich überspielte die Abfuhr mit einem weiteren Gähnen, doch die Sorge in Christophers Blick verriet, wie wenig er mir das abnahm.
    »Deine Eltern werden Verständnis dafür haben, wenn du früh ins Bett willst. Dass du morgen schon wieder weitermusst, wissen sie. Also sieh zu, spätestens um zehn in deinem Zimmer zu verschwinden – egal, wie groß dein Heimweh ist.«
    Ich nickte tapfer. Meine Eltern zu besuchen und sie gleich darauf wieder verlassen zu müssen tat schon jetzt weh. Auch meine Freunde würden sauer sein, wenn sie erfuhren, dass ich da war und nicht bei ihnen vorbeigeschaut hatte. Bis ich sie wiedersehen durfte, hatten sie das hoffentlich vergessen – falls es ein nächstes Mal gab.
    An Christophers Seite stolperte ich den steinigen Pfad hinab. Mehrmals verlangsamte er das Tempo oder legte eine Pause ein. Als er schon wieder stehen blieb, lief ich einfach weiter.
    »Aron hat mich gestern zweimal um den See gejagt, aber sofertig bin ich nun auch wieder nicht, dass ich jetzt schon wieder die Aussicht genießen muss.«
    Christopher wusste, dass ich log. Mir gefiel der Blick über die Ebene Sulmonas, und müde war ich auch, nach nur vier Stunden Schlaf und der aufreibenden Engelsprüfung. Dennoch ließ er mir meinen Willen und schnappte sich nur meine Hand – sicher, damit er mich auffangen konnte, falls ich wieder ins Rutschen geriet.
    Lange bevor die ersten Dorfbewohner die Straßen bevölkerten, stand ich vor der Tür meiner Eltern. Christopher drängte mich nicht, die Klingel zu drücken. Er spürte meine Unsicherheit, kannte die Angst in mir. Schweigend wartete er und hielt meine Hand. Er vertraute meinem Mut, dass ich nicht umkehren würde – ich selbst war mir da weniger sicher. Vor den Augen meiner Eltern zum Monster zu mutieren war nur eine meiner Sorgen.
    Würden sie vor mir zurückschrecken? Konnten sie mich überhaupt noch lieben?
    »Sie kennen dich seit deinem ersten Atemzug, haben miterlebt, wie du groß geworden bist. Sie werden sehen, dass du dich verändert hast, dass du erwachsener bist, reifer. Und sie werden dich noch immer lieben.«
    Zwei verschlafene, hellblaue Augen strahlten mir entgegen. Noch bevor ich hallo sagen konnte, zog mein Vater mich an seine breite Brust.
    »Lynn! Ich dachte schon, die Schneemassen würden dich nie wieder hergeben. Hättest du nicht nach Florida oder Kalifornien gehen können? Warum ausgerechnet Kanada?«
    Für seine Verhältnisse sprach mein Vater viel zu viel. Die Freude, mich wiederzusehen, entlud sich nicht nur in einer festen Umarmung. Kaum hatte er mich losgelassen, stürzte sich meine Mutter auf mich. Es fiel mir schwer, nicht vor ihr zurückzuweichen.
    Ihr Duft hatte sich verändert. Neben dem Geruch nach Leder, das sie täglich zu Taschen verarbeitete, nahm ich ein weiteres Aroma wahr: süße Vanille gemischt mit verbranntem Chili.
    Ich wandte das Gesicht ab, damit mein Vater nicht sehen konnte, wie mir

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