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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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intensiv über Christopher und mich nachdenken konnte.
    Das achteckige, efeubewachsene Gebäude hob sich mit seinen bunten Fensterscheiben und dem sternförmigen Dach von dem spätherbstlichen Gelbbraun des Waldes deutlich ab. Meine linke Hand, in der ich den Dolch hielt, schmerzte. Nicht weil meine Klauenhände sich bemerkbar machten, sondern weil ich ihn krampfhaft umklammerte. Meine ganze Furcht konzentrierte sich auf diese Waffe. Sie war dämonischen Ursprungs und hatte mir vermeintliche Stärke geschenkt. Dabei schwächte sie mich und stärkte nur mein Dämonenerbe. Den Dolch durch die Barriere der Engel zu tragen würde mich viel Kraft kosten. Noch war ich keiner von ihnen. Ich konnte weder weinen noch besaß ich Flügel wie Christopher.
    Christopher!
    Ich drückte meine Schultern durch und wagte, die eiserne Tür zu berühren. Ein Hagelsturm an Blitzen schleuderte mich zwei Meter weit zurück. Der Dolch glitt aus meiner Hand. Rubinrot leuchtete er mir entgegen. Trotzig bückte ich mich, um ihn aufzuheben, und ließ ihn gleich wieder fallen. Meine Finger brannten, als hätte ich in ein Feuer gefasst. Engelszauber und Dämonenmagie passten offenbar nicht gut zusammen. Kein Wunder, dass der dunkle Teil in mir meine Engelsseele bekämpfte.
    Ich unternahm einen zweiten Versuch. Dieses Mal ohne den Dolch. Vielleicht musste ich erst lernen, wie ich den Schutzwall überwinden konnte, bevor ich noch mehr Dämonenlast mit mir herumschleppte. Meine Hand kribbelte heftig, aber immerhin zuckten keine Blitze mehr herab, als ich die Tür der Kapelle berührte. Dummerweise breitete sich das Pulsieren aus, während ich mich weiter vorwagte. Säure fraß sich durch meine Adernund drängte mich zurück. Verbissen kämpfte ich mich vorwärts, überwand die Barriere und betrat die Kapelle.
    Mein Atem stockte. Sie war genau so, wie ich sie in Erinnerung behalten hatte: ein kleiner Altar, geschmückt mit weißen Blumen – heute Rosen –, der zwischen den beiden fensterlosen Nischen stand. Eine davon war leer, in der anderen thronte ein aus weißem Stein gemeißelter Engel – ein Abbild Christophers.
    Ehrfürchtig näherte ich mich dem Engel. Meine Finger berührten den kalten Marmor. Auch wenn es nicht Christopher war, den ich fühlte, tröstete mich die Berührung. Er würde zurückkommen – ich musste nur geduldig sein und durfte nicht aufgeben zu hoffen.
    Meine Gedanken suchten Halt in der Erinnerung, und ich verlor mich in ihnen. Erst als die tiefstehende Sonne durch die bunten Fenster schien und die Kapelle zum Leuchten brachte, fiel mir wieder ein, warum ich hier war – und wie wenig Zeit mir noch blieb.
    Das Rot des Dolchs funkelte böse wie das Auge eines angreifenden Dämons. Nachdem ich ein wenig Frieden in der Kapelle gefunden hatte, fand ich den Mut und griff erneut nach dieser gefährlichen Waffe.
    Die Berührung schmerzte, als würden meine Finger in siedendem Öl baden. Trotzdem ließ ich den Dolch nicht los. Ihn zu halten und in der Kapelle zu verwahren war meine Bewährungsprobe. Meine Engelsseite musste stärker sein – ich durfte nur nicht aufhören, das zu glauben.
    Und genau daran scheiterte ich. Mein Vertrauen, ein Engel zu werden, lag bei null. Die Blitze zuckten wieder auf und warfen mich zurück. Ich versuchte es erneut – ich wollte das schaffen. Ich konnte es!
    Beim dritten Anlauf stützte ich mich auf Christophers Stärke. Die Vorstellung, dass er mit mir zusammen die Barriere durchbrach, half mir, sie zu überwinden – auch wenn es sich so anfühlte,als würde ich gerade geröstet. Aber was machte das schon? Engel heilten schnell – doch leider nicht spontan. Alles an und in mir schmerzte. Im Fegefeuer zu braten konnte auch nicht schlimmer sein.
    Mit letzter Kraft stürzte ich zum Altar, warf den Dolch zu den weißen Rosen und sackte auf die Knie. Eine weiße Knospe folgte mir. Mit der scharfen Klinge des Dolches von ihrem Stängel getrennt, landete sie vor mir auf dem Boden.
    Das Feuer in mir loderte weiter. Verbrannte alles, egal ob gut oder böse. Ich griff nach der Rose, dem einzigen Halt, den ich fand. Unschuldig und rein, von ihren Wurzeln getrennt, lag sie einsam in meinen Händen. Um ihr Schutz zu bieten, schloss ich meine Finger um die zarte Blüte. Ein kurzes Aufglühen und sie zerfiel zu Asche. Mein Körper begann heftig zu zittern. Die Rose hatte all meine Schuld auf sich genommen: Den Schmerz, die Erkenntnis meiner Schwäche und das Opfer der Rose – die Bedeutung sickerte nur

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