Tanz der Engel
Teil.
Christopher kam mir nicht entgegen. Ich musste den Weg alleinüberwinden, musste mir klar darüber sein, was mich bei ihm erwartete. Meine Schritte wurden langsamer, bis ich schließlich kurz vor ihm stehen blieb. Ich wollte mich nicht blind in seine Arme stürzen. Er sollte sehen, dass ich den letzten Schritt in vollem Bewusstsein tat. Ich hatte ihn in seiner dunkelsten Stunde gesehen – und liebte ihn dennoch.
Christophers Augen leuchteten in einem warmen Smaragdgrün, als er den Grund meines Zögerns durchschaute. Seine Sehnsucht, mich in die Arme zu schließen, war ebenso groß wie meine.
Vorsichtig streckte ich meine Hände nach ihm aus und wagte den letzten Schritt. Tausend Empfindungen stürmten auf mich ein, als ich ihn berührte. Vertrautheit, Wärme, Geborgenheit. Vermisst zu werden, sicher zu sein – und vor allem: unendlich geliebt zu werden.
Christophers Kuss war ebenso sanft wie seine Berührung. Er hatte Angst, mich zu erschrecken. Fürchtete, ich könnte vor dem, was ich jetzt sehen konnte, davonlaufen.
Aber mich erreichte nicht der dunkle, sondern der helle Teil von ihm. Er war mir vertraut und doch so fremd. Christophers Engelswesen quoll über vor Zuneigung. Die letzten Befürchtungen, meine Schattenseite könnte ihn abstoßen, lösten sich auf. Seine Liebe war anders als meine: größer, vielschichtiger, vorausschauend. Er wusste, worauf er sich einließ – und ich vertraute ihm.
Christopher spürte, dass meine Entscheidung gefallen war. Sein Kuss wurde drängender, seine Hände mutiger.
Mein Körper erwiderte seine Zärtlichkeit. Christopher in seiner Engelsgestalt zu küssen war unbeschreiblich. Ich spürte nicht nur seine Berührungen mit ungeahnter Intensität und roch den stürmischen Gewitterduft, in dem sich Geborgenheit, Versuchung und Unbekanntes vermischte, sondern fühlte auch die Macht, die in ihm verborgen lag.
Und genau da begann das Problem!
Auch meine Macht erwachte. Stürmisch und völlig unerfahren überwältigte sie mich. Wie eine unkontrollierbare Feuerwalze rollte sie auf Christopher zu, drängte seine Lippen auseinander und forderte sein Engelswesen heraus.
Er war stärker als ich. Ein gigantischer Orkan aus Wind, Regen, Donner und Blitzen preschte hervor und verschlang das wenige, das in mir loderte.
Meine Gedanken begannen zu verschwimmen. Schwarze Schleier tanzten vor meinen Augen. Mir fehlte jegliche Kraft, bei Bewusstsein zu bleiben. Und noch bevor ich Christopher von mir stoßen konnte, sackte ich ohnmächtig in seinen Armen zusammen.
Kapitel 18
Dämonenduft
W as zum Teufel hast du mit ihr gemacht?!« Arons aufgebrachte Stimme weckte mich.
»Nichts, das ich dir nicht schon erzählt hätte.«
»Du hast sie also nur in Ohnmacht geküsst ?« Arons zweifelnden Gesichtsausdruck – die linke Augenbraue bis zu den schwarzen Haaren hochgezogen – konnte ich mir auch mit geschlossenen Augen vorstellen.
»Ja. Nein«, antwortete Christopher.
»Also doch nicht nur geküsst!«, fasste Aron Christophers Aussage zusammen.
Die gedämpften Schritte auf Teppichboden wurden schneller. Christopher lief auf und ab, wie so oft, wenn er unschlüssig war. »Es war so … so unglaublich. Ich konnte sie nicht nur spüren, ich konnte sie fühlen !«
Aron gluckste. »Das ist normal beim Küssen. Hast du noch nie zuvor einen Engel geküsst?«
Plötzlich war ich hellwach. Diese Antwort interessierte nicht nur Aron.
»Doch«, gab Christopher zu. Er war stehen geblieben. »Einmal.«
Das hatte er mir nicht erzählt. Ich musste mich zurückhalten, um nicht aufzuspringen und ihn zur Rede zu stellen. Aron übernahm das für mich.
»Und? Wie war’s?«
»Anders. Es war … ich hatte gewettet. Mit Simon. Er war der Meinung, ein Racheengel müsse wissen, wie es ist, einen Engelzu küssen.« Christopher verstummte. Die Erinnerung an seinen toten Freund belastete ihn.
Doch Aron erlaubte Christopher nicht, seiner Frage auszuweichen. »Was? Du hast neunzehn Jahre lang als Mensch gelebt und besitzt keinerlei Erfahrung?«
» Das habe ich nicht gesagt.«
Ich schnappte nach Luft. Zum Glück bemerkte es niemand, da Christopher fortfuhr, sich zu erklären.
»Es gab ein Mädchen, das in mich vernarrt war. Sie war nett, ich mochte sie und ließ zu, dass sie mir näherkam. Aber sie zu küssen war etwas völlig anderes.«
»Und der Rest?«, bohrte Aron weiter, da Christopher schwieg.
Ich war mir sicher, dass Christophers Blick auf mir ruhte. Jetzt die Augen zu öffnen, um sein
Weitere Kostenlose Bücher