Tanz der Engel
überreden will?«
Juliane zuckte zusammen, als hätte ich aus meinen Augen Blitze abgefeuert. Vielleicht stimmte das auch – zumindest fühlte es sich so an.
»Es … ich. Es tut mir leid, Lynn. Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn …«
Weiter kam sie nicht. Als Christopher den Speisesaal in Begleitung von Hannah und ihren Freunden betrat, verstummte sie. Mit einem triumphierenden Lächeln legte Hannah einen Arm um Christopher. Er wehrte sie nicht ab. Im Gegenteil. Er erwiderte ihre Geste und umschlang ihre schmale Taille – und obwohl meine Welt gerade unterging, lächelte ich zurück.
Aron bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. »Was ist los? Du siehst aus, als erwarte dich die Hölle persönlich. War das letzte Training so schlimm?«
»Ja.« Mein ironischer Tonfall sollte Aron davon abhalten, weiterzubohren. Natürlich klappte das nicht.
»Also ist dir etwas anderes über die Leber gelaufen. Lass mich raten: Christopher?«
Ich bemühte mich, nicht zusammenzuzucken. Aron sah es trotzdem.
»Auch«, gab ich zu. »Und Raffaels Party.«
»Was ist damit?« Arons Aufmerksamkeit war mir sicher.
»Ich habe Juliane versprochen, dort vorbeizuschauen.«
»Ausgeschlossen!« Arons Antwort dröhnte in meinen Ohren. »Du kannst es dir nicht leisten, Partys zu feiern !«
»Aber ich …«
»Nein!«
»Und wenn ich die Zeit nachhole?«
Aron antwortete mit einer Gegenfrage. »Du bist bereit, auf deine Weihnachtsferien zu verzichten?«
» Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn ich morgen meine Studierzeit schwänze und stattdessen zuerst mit dir train-…«
Aron schnitt mir das Wort ab. Seine Stimme donnerte wie die des Rachegottes persönlich. »Du. Wagst es. Schwänzen vorzuschlagen?! Ich hoffe, dass du heute schnell bist. Sollte ich dich einholen, bevor du das Seil erreicht hast, wirst du ohne meine Hilfe rübergehen. Ich gebe dir einen Vorsprung bis zur Schlosstreppe.« Aron war stocksauer. Er würde seine Drohung wahrmachen und mich notfalls mit Gewalt auf das Seil zwingen.
Er holte mich ein, kurz bevor ich das Ziel erreichte. Noch ehe ich mich an einem der Äste festklammern konnte, packte er meine Schultern und drängte mich Richtung Slackline. Mein Körper reagierte sofort. Zittern konnte er inzwischen außerordentlich gut.
»Aron. Bitte!« Ich wand mich aus seinem Griff, drehte mich zu ihm und umschlang das Nächstbeste, das mir Halt bot. Da es außer Aron nichts gab, musste er herhalten.
Meine Furcht ließ ihn schwach werden. Mit einem Seufzer gab er sich geschlagen. »Aber keine Party morgen. Verstanden?!« Ich nickte und beschloss, dieses Versprechen zu halten – auch wenn ich dafür ein anderes brechen musste.
Raffael brachte meine Entscheidung ins Wanken. Er erwartete mich. In der Eingangshalle passte er mich ab. Sein plötzliches Auftauchen, als ich leise die Wandtür zum Putzraum schloss, erschreckte mich beinahe zu Tode.
»Hallo Lynn. So spät noch unterwegs?« Er knipste eine Taschenlampe an und richtete sie auf mein Gesicht. »Du siehstmüde aus. Ist das Training so hart, oder kannst du nicht schlafen, weil dein Engelsfreund das Weite gesucht hat?«
Meine Hand zielte auf sein Gesicht. Er fing sie ab, bevor sie ihn traf.
»Ich wollte sicherstellen, dass du morgen auch kommst«, fuhr er fort. »Du sollst sehen, wie wenig du einem Engel wie Christopher vertrauen kannst.«
»Sondern lieber so was wie dir?«
Ich hatte aus Raffael absichtlich ein So was gemacht. Er bemerkte es – und es verletzte ihn. Ich redete mir ein, dass ich mich täuschte. Mitleid mit Raffael war das Letzte, was ich haben wollte.
»Du kennst Sanctifer nicht so gut, um …«
»Ganz im Gegenteil!«, fiel ich Raffael ins Wort. » Das vergesse ich niemals.« Selbstbewusst hob ich meinen Kopf, damit er die Narbe unter meinem Kinn sehen konnte.
»Und dass Christopher dich verletzt, kannst du leichter vergessen?«
Nein. Das konnte ich noch viel weniger. Doch das musste Raffael nicht wissen. Also log ich.
»Nicht jede Liebe dauert eine Ewigkeit. Christopher ist mir nichts schuldig. Was ich ihm ermöglicht habe, hat er mir längst zurückgegeben.«
»Dann seid ihr also quitt?«
»Ja. Völlig!«
Vielleicht hätte ich das völlig besser weggelassen, um glaubhafter zu wirken. Das Aufflackern in Raffaels Augen gefiel mir jedenfalls überhaupt nicht. Irgendetwas plante er. Etwas Hinterhältiges, Gemeines. Vielleicht die nächste Falle.
»Du solltest trotzdem kommen«, fuhr Raffael fort. »Es gibt nicht nur Cola zu
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