Tanz der Engel
betrachten zu können. »Und wen genau meinst du damit?« Seine blauen Augen verrieten, dass ich kurz davorstand, gefährliches Terrain zu betreten.
Ich zuckte zurück. Florian falsche Hoffnungen zu machen lag nicht in meiner Absicht. »Ich … ich weiß nicht. Auf alle Fälle müsste sie nett sein und ehrlich. Keine falsche Schlange.«
»Bist du so eine?«
Florians Frage verwirrte mich. Hielt er mich für verlogen, oder sah er in mir die Richtige ? Höchste Zeit, den Rückwärtsgang einzulegen.
»Ich? Ich bin ein gebranntes Kind. Er hat mir Rosen versprochen und Dornen geschenkt. Fürs Erste hab ich genug von Jungs.«
Florian blieb stehen. »Du tanzt also nur mit mir, um Angelo eins auszuwischen?«
»Auch«, gab ich zu. »Aber vor allem wollte ich dich auf andere Gedanken bringen. Doch anscheinend kann ich es mit Hannah nicht aufnehmen. Angelo und du, ihr seid ihr beide verfallen.«
»Das sehe ich anders. Nicht Angelo läuft ihr nach, sondern Hannah ihm – genau wie du.«
Selbst Florian wusste, wie es um mich stand. Wir hörten auf zu tanzen. Die Lust dazu war mir mit der gleichen Geschwindigkeit vergangen, mit der meine schlechte Laune gestiegen war. Wenn es so offensichtlich war, was ich für Christopher fühlte, wieso hängte der sich dann an Hannah? War das ein weiterer Test, um zu prüfen, wie lange es dauerte, bis ich ausflippte? Oder empfand er wirklich etwas für sie?
Florian kam von der Bar zurück. »Hier, mit einem Gruß von Raffael.«
Ich nahm ihm den Autoschlüssel und das Glas ab, das er mitgebracht hatte: Wodka. Er schmeckte widerlich, aber er passte: Genau so fühlte ich mich.
Zwei Gläser später bemerkte ich, dass nicht nur ich zu viel getrunken hatte – eigentlich war es Marisa, der unsere ein wenig zu gute Laune auffiel.
»Seid ihr blöd? Ihr werdet rausgeschmissen, wenn sie euch erwischen! Besser, ihr verschwindet, bevor sie euch ins Röhrchen pusten lassen.«
Marisa ignorierte unseren Protest und zerrte uns, mit Max’ Unterstützung, zum Notausstieg am anderen Ende des Raums.
»Los, klettert die Leiter hoch und durch den Notausstieg. Entweder sie stehen vorn am Ausgang, oder sie kontrollieren uns im Schloss. Am besten, ihr versteckt euch unten im Klo. Ich hol euch, sobald die Luft rein ist.«
Während ich nicht aufhören konnte zu kichern – eine Flucht durch den Notausstieg, wie spektakulär –, übergab sich Florian auf den gefrorenen Rasen. Die kalte Luft setzte ihm zu. Entweder er vertrug nicht viel, oder Raffael hatte schon vor meiner Ankunft großzügig ausgeschenkt. Wie blöd war ich eigentlich, etwas zu trinken, das von dem Flüsterer stammte! Ziemlich blöd, entschied ich – oder vielleicht auch nur verzweifelt.
Florian hatte sich endlich ausgekotzt, und ich konnte wieder einigermaßen klar denken. Marisas Vorschlag schien die einzige Möglichkeit, einer Suspendierung zu entkommen. Die Regeln waren bekannt, und es gab genügend Schüler, die Schlange standen, bis jemand das Internat verließ – oder rausgeworfen wurde.
Mit einem Arm stützte ich Florian, mit dem anderen hielt ich seine Hand fest, damit sie nicht von meiner Schulter rutschte. Dank meines Krafttrainings schaffte ich es, ihn zum Schloss hinüberzuschleifen. Vorsichtig setzte ich ihn auf den Stufen der Steintreppe ab. Bevor ich mit Florian die Eingangshalle betrat, wollte ich sichergehen, dass wir unbeobachtet waren.
Entgegen Marisas Plan zerrte ich Florian schließlich durch die Wandtür unter der Treppe. Im Keller war es sicherer als im Klo. Kein Mentor konnte uns dorthin folgen, und morgen würde Florian vergessen haben, wo ich ihn versteckt hatte.
Noch bevor ich Florian ablegen konnte, wehte mir Arons mediterraner Kräuterduft entgegen. Ich erstarrte, als er plötzlich hinter dem zerstörten Spiegel auftauchte. Funkelnde Augen in einem unbewegten Gesicht. Ein Zeichen höchster Alarmstufe.
»Aron, es tut mir leid, aber ich kann es erklären …«
»Schweig!« Dieses einzige Wort traf wie ein Fausthieb. Aron war nicht nur obersauer, er war maßlos enttäuscht. Vielleicht sollten wir den Club der Enttäuschten gründen.
Mein Galgenhumor verging mir, als mich Arons Befehl erreichte. »Geh und warte im Foyer auf mich! Ich komme nach, sobald ich den armen Kerl hier rausgeschafft habe.«
Wenn ich jetzt ging, ließ ich Florian im Stich. So feige durfte ich nicht sein. Kampfbereit stellte ich mich vor meinen betrunkenen Freund.
»Ich werde nicht zulassen, dass er meinetwegen von der Schule
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