Tanz der Engel
fliegt.«
Arons Augen verengten sich zu Schlitzen. Er suchte nach meiner Schwachstelle, nach dem Punkt, wo ein einziger Schlag genügte, um mich zu besiegen.
»Du bist bereit, gegen mich zu kämpfen? Warum?«
Arons Zögern irritierte mich. Wollte er mich mit seiner Frage ablenken? Ohne seinen angriffsbereiten Körper aus den Augen zu lassen, antwortete ich.
»Er ist ein Freund von mir. Ich habe nicht auf ihn aufgepasst, obwohl ich wusste, dass ihm eine Falle gestellt wurde. Ihn den Mentoren auszuliefern, während ich entkomme, ist nicht gerecht.«
Aron hielt meine Augen mit seinem Blick gefangen. Er wollte wissen, ob ich ehrlich war. »Hattest du vor, die Internatsregeln zu brechen, um von der Schule zu fliegen?«
»Um vor dir und deinem Unterricht zu fliehen?« Ein weiterer Punkt auf Arons Liste. Er hatte wirklich Grund, wütend auf mich zu sein. »Nein. Das … das wollte ich nie.« Aron war der Einzige, der mir helfen konnte, ein Engel zu werden und Christopher zu überzeugen, dass ich ihn liebte.
»Verschwinde! Ich werde dafür sorgen, dass dein Freund auf der Schule bleiben kann.«
Arons Körperhaltung verriet nichts über seine Gefühle, als er in der Eingangshalle auftauchte, wo ich nervös auf ihn wartete. Fieberhaft suchte ich nach irgendeinem Zeichen, das mir verriet, wie hoch die Strafe ausfallen würde, während meine Hände in den Hosentaschen vor sich hin zitterten.
»Wirst du meine Entscheidung akzeptieren? Oder ist es dir lieber, von jemand anderem unterrichtet zu werden? Wobei ich nicht an Sanctifer denke. Noch hat er keinen Anspruch auf dich geltend gemacht.«
Arons Frage verunsicherte mich. Ich vertraute ihm wie keinem anderen Engel – abgesehen von … Ich brach ab. Im Moment war es besser, nicht über Christopher nachzudenken. Aber warum die Frage, ob ich einen anderen Lehrer haben wollte? Nur ein Grund ergab einen Sinn.
»Hättest du lieber einen anderen Schüler als mich?«
Aron ging nicht auf meine Frage ein. »Das ist keine Antwort!«
»Ich weiß, aber ich … ich muss wissen, wie du zu mir stehst, bevor ich dir eine geben kann.«
»Nein.« Kürzer hätte Aron nicht antworten können. Doch es genügte, um einen großen Stein von meinem Herzen zu nehmen. Erleichtert atmete ich auf.
»Ebenfalls nein. Und ich werde dein Urteil akzeptieren – selbst wenn du mich zwingst, Tag und Nacht zu trainieren.«
Aron grinste nicht. Für Scherze war er gerade nicht empfänglich.
Meine Nervosität meldete sich zurück. Meine Finger begannen zu kribbeln – nicht vor Wut, sondern vor Angst. Aron beließ mich in diesem Zustand und schickte mich auf mein Zimmer im Schloss der Engel. Am nächsten Morgen, noch bevor die Schule begann, sollte ich meine Aufrichtigkeit beweisen.
Die halbe Nacht wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Welche Strafe würde mich erwarten? Konnte ich sie widerspruchslosakzeptieren, wie ich es versprochen hatte? Und falls nicht? Würde Aron mich im Stich lassen? Vielleicht sollte ich einfach abhauen und mein altes Leben in Italien wieder aufnehmen. Doch war das überhaupt noch möglich? Wohl kaum. Abgesehen davon, dass die Engel mich finden würden, den dämonischen Teil in mir konnte ich nicht wieder verschwinden lassen. Er war ebenso ein Stück von mir wie die Klauen und würde, wie sie, eines Tages hervorbrechen, wenn es mir nicht gelang, ein vollwertiger Engel zu werden.
Es war stockdunkel, als Aron kam, um mich abzuholen. »Bist du bereit?«
Ich nickte und schob ein zittriges »Ja« hinterher.
»Gut, dann komm mit.«
Schweigend liefen wir durchs Schloss, passierten die Eingangshalle und verließen das Gebäude Richtung Burgwall. Aron hatte dafür gesorgt, dass ich sah, was auf mich zukam.
Mein Herz setzte für einen erschreckend langen Moment aus, um danach in bedrohlich hoher Frequenz weiterzuhämmern. Eine schnurgerade Schneise, erhellt von zwanzig Lagerfeuern oder mehr, verband das Schloss mit dem Burgwall. Über ihr tanzte die Slackline im Schein von brennenden Ölschalen, die an zwei rechts und links verlaufenden Seilen befestigt waren. Ich wusste, was jetzt kam – doch ich ahnte nur die Hälfte.
»Ich lasse dir die Wahl«, begann Aron. »Entweder du schaffst es, heute deine Angst zu überwinden und das Seil zu überqueren, oder du verzichtest auf deine Weihnachtsferien und übst stattdessen.«
Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen. Das war keine Wahl – das war Erpressung! Wut schäumte in mir hoch. Böse funkelte ich Aron an – und
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