Tanz der Engel
trinken. Und da Christopher sicher abgelenkt sein wird und nicht auf deine Freunde aufpassen kann, könnte einer von ihnen zu viel davon abbekommen und mein Angebot,eine Spritztour mit meinem neuen Wagen zu machen, annehmen. Leider wird er dann wohl das Internat verlassen müssen, weil die Mentoren …«
Dieses Mal traf meine Faust. Raffaels Bauchdecke spannte sich, als hätte er meinen Schlag erwartet.
»Wir sehen uns. Spätestens heute Abend«, erwiderte er meine Antwort mit einem hinterhältigen Grinsen. Sein Schlag saß besser als meiner. Sich meine Freunde als Ziel auszusuchen erleichterte mir die Entscheidung, welches der gegebenen Versprechen ich brechen musste.
Raffael schenkte mir ein Lächeln, als ich – wegen meiner Studierzeit – verspätet den vollbesetzen Vorraum der Schuldisco betrat. Offenbar hatte er die ganze Schule zu seiner Party eingeladen.
»Ich wusste, dass du kommen würdest«, flüsterte er mir ins Ohr, während sein Kiefernduft mich umhüllte. »Genieß die Party – und trink nicht zu viel!«
»Keine Sorge, ich kann mich beherrschen – meistens jedenfalls«, zischte ich zurück. Mein drohender Unterton ließ Raffael zusammenzucken. Offenbar wusste er, was ich war – seine Angst verriet ihn. Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht. Es erlosch, als ich den Grund erkannte: Es war das erste Mal, dass ich es genoss, mächtig zu sein.
Wie von ihnen angezogen, begegnete ich Christophers jadegrünen Augen. Und wie so oft wusste er, was mit mir los war. Sein verächtlicher Blick verursachte mir größere Übelkeit als die Tatsache, dass er mit Hannah tanzte.
Kapitel 22
Weihnachtsflucht
I ch flüchtete zu meinen Freunden in die Lounge in dem kleineren der beiden Gewölbekeller. Juliane umarmte mich zur Begrüßung – das hatte sie schon lange nicht mehr getan. Zartrosa Wangen belebten ihr blasses Gesicht. Sie war glücklich. Nicht weil ich zur Party gekommen war, sondern wegen Raffael. Verliebt zu sein war wunderschön – warum nur musste es so oft der Falsche sein?!
»Hi Lynn, schön, dass du mal Zeit hast«, begrüßte mich Max mit seiner direkten Art und einem ebenso fröhlichen Strahlen wie Juliane.
Hatten meine Freunde mich tatsächlich vermisst? Auch Marisa freute sich riesig, mich zu sehen, wobei ihr forschender Blick verriet, dass auch sie wusste, in wessen Armen Christopher den Abend verbrachte. Ich lächelte trotzdem. Sollte Hannah ihr kurzes Zwischenspiel doch genießen. Spätestens nach dem Abitur würde Christopher aus ihrer Welt verschwinden.
Der Einzige, der mich nicht überschwänglich umarmte, war Florian. Geknickt saß er auf einem der hellen Sofas und hielt sich an seinem Glas fest. Ich schnüffelte vorsichtig, als ich ihm einen Begrüßungskuss auf die Wange drückte. Es roch nach Wodka – kein gutes Zeichen.
»Ganz allein?«, flirtete ich ihn an.
Florians Kopf schoss hoch. Seine Augen suchten nach einem Zeichen, dass ich ihn auf den Arm nehmen wollte.
»Willst du tanzen?«, fragte er ein wenig zu rasch.
Tanzen? Mit Florian? Warum eigentlich nicht?
»Klar will ich das«, säuselte ich so verführerisch, dass Marisa mir einen warnenden Blick zuwarf. Es genügte, dass Florians Herz wegen Hannah einen Sprung bekommen hatte. Einen zweiten wollte sie ihm ersparen.
Anstatt sie zu beruhigen, dass ich nicht zu weit gehen wollte, blitzte ich Marisa wütend an. Sie hatte kein Recht, mir zu sagen, was ich zu tun und zu lassen hatte. Ein wenig Ablenkung schadete weder Florian noch mir. Auch ich besaß ein Herz, doch offenbar kümmerte das niemanden.
Florian tanzte nicht schlecht. Er war sportlich, großgewachsen und konnte sich gut bewegen. Auch wenn er meilenweit entfernt war von Christopher und Raffael, denen niemand das Wasser reichen konnte, gehörte er doch zu den attraktiveren Jungs der Schule.
Wie Max und Marisa, die uns in den großen Gewölbekeller mit der Tanzfläche gefolgt waren, tanzten wir zusammen, aber nebeneinander. House-Music eignete sich nicht zum Händchenhalten – auch wenn Christopher anderer Meinung war.
Während ich versuchte, dem neuen Traumpaar aus dem Weg zu gehen, starrte Florian wie besessen in Hannahs Richtung. Als die Musik langsamer und sanfter wurde, schlang ich meine Arme um seinen Hals und legte meinen Kopf an seine Brust, so dass ihm nichts anderes übrigblieb, als seine Hände um meine Taille zu legen.
»Vergiss Hannah«, flüsterte ich. »Du hast eine Bessere verdient.«
Florian schob mich ein wenig von sich, um mich besser
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